Balkrishna Doshi, Architekturbüro Sangath, Ahmedabad, 1980

IWAN BAAN

Architektur für Menschen

AzW würdigt Balkrishna Doshi

"Balkrishna Doshi - Architektur für Menschen" mit dieser Ausstellung porträtiert das Architekturzentrum Wien (AzW) den wichtigsten Vertreter der architektonischen Moderne Indiens. 2018 wurde der 90-jährige Doshi mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet, dem Nobelpreis für Architektur sozusagen. Zentral sind seine visionären Arbeiten im Bereich des kostengünstigen Wohnens, die regionale indische Traditionen mit den Idealen der architektonischen Moderne vereinen.

Gleich am Eingang zur Ausstellung sieht man Filme mit Szenen aus dem indischen Straßenalltag vor Corona: bunt und voller Lebendigkeit. Und man sieht Balkrishna Doshi, der sein Verständnis von Architektur erklärt. Weil er aus einer Hindufamilie stammt, in der fast 20 Menschen, jung und alt, zusammenlebten, sei das kleine Haus seines Großvaters mit den Generationen mitgewachsen. Daher ist Architektur für ihn nicht vorgegebenes Design, sondern ein wachsender Organismus. Ähnlich der Natur.

Architektur ist wie ein wachsender Organismus

Ausstellungsansicht

LISA RASTL

Moderne gepaart mit indischen Traditionen

Als der Schweizer Architekt Le Corbusier in den 1950er Jahren die Planstadt Chandigarh errichtete, heuerte Doshi bei Le Corbusier an und erlernte die Architektursprache der Moderne, deren Formen er mit der Farbenvielfalt und den traditionellen Materialien der indischen Kultur mischte.

Die Großbauten von Balkrishna Doshi wie das Indian Institut of Management sind in überdimensionalen Fotografien an der Wand zu sehen: wie sie bei der Entstehung aussahen, und dann 20 Jahre später, verschönert durch blühende Gärten und üppiges Grün.

Wohnsiedlung Aranya, Indore, 1989

Wohnsiedlung Aranya, Indore, 1989

VASTUSHILPA FOUNDATION/ AHMEDABAD

Winzighäuser zum Weiterbauen

Die Wohnsiedlung Aranya in Indien war in den späten 1980er Jahren ein bahnbrechendes Projekt, bei dem unter mittellosen Menschen Winzighäuser zum Weiterbauen verlost wurden. Angelika Fitz, die Direktorin des AzW: "Mit diesem Projekt hat Doshi etwas vorweggenommen, was wir später immer wieder auf den Architekturbiennalen gesehen haben: Das wachsende Minimalhaus von 30 Quadratmetern Grundfläche, das die Menschen selber weiter bauen können."

In der Schau aufgebaut ist auch das Haus des Architekten im Maßstab 1:1, es strahlt Offenheit und Geborgenheit aus. Eine Augenweide sind die stadtplanerischen Entwürfe, die hier an den Wänden hängen: Sie haben die Anmutung indischer Miniaturmalereien, die detailgenau das pralle Leben abbilden.

Natürliche Kühlung und Beschattung

Die Architektur von Balkrishna Doshi zeigt nicht nur Auswege aus ökonomischer und sozialer Bedrängnis auf. Vom Gründer der School of Architecture in Ahmedabad können wir lernen, wie er in seiner heißen Heimat mit dem Thema Kühlung umgeht. Er lässt alte Traditionen des In-die-Erde-Grabens, der natürlichen Belüftungen und Beschattungen aufleben, oder er sammelt Regenwasser, um es an Hitzetagen von oben über die Gebäude zu ergießen. Eine Ausstellung, die alle Sinne anspricht und die man nicht versäumen sollte.

Service

AzW - Balkrishna Doshi. Architektur für den Menschen, 29. Mai bis 29. Juni 2020

Gestaltung