Gummiringerl auf einer Hand

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Radiokolleg

Resiliente Gesellschaften

Wie sich das Zusammenleben neu organisiert.

Eine krisenhafte Situation zu transformieren und in einen neuen Denkansatz zu überführen ist das Anliegen der Resilienzforschung. Der Konfliktforscher Karim Fathi von der Berliner Akademie für Empathie: "Resilienzforschung setzt voraus, dass sich bestimmte Krisen nicht vorhersehen lassen. Die Frage ist nun: Wie gehen wir mit dem Unerwarteten um?"

Klimakrise, Migrationskrise und Coronakrise gefährden gesellschaftliche Routinen. Konflikte werden geschärft, Probleme werden sichtbar gemacht. Manche Krisen kommen überraschend, ihr Verlauf ist ungewiss. Sich davor mit Mauern und Zäunen, mit Desinfektionsmittel und Masken zu schützen ist langfristig nahezu unmöglich. Möglich ist jedoch, die eigenen Handlungskompetenzen zu erweitern und zu lernen, Unerwartetes in das Bestehende zu integrieren. Karim Fathi: "Hier geht es um die Frage: Wie können wir mit den Krisen wachsen? Unsere Werte neu definieren, um so unser Zusammenleben anders zu gestalten?"

"Resilient ist, wer Veränderungen zulässt"
Matthias Horx

Der Kräutergarten neben dem Bootssteg ist bei den "Wasserwohnungen" in Meerstad, IJburg oder Zeewolde nichts Ungewöhnliches. Ob für ein dreistöckiges Mietshaus oder eine komfortable Villa: Der niederländische Architekt Koen Olthuis legte mit seinen unsinkbaren Wannen das Fundament für die Städte der Zukunft. Zumindest für jene, die unterhalb des Meeresspiegels liegen. Denn die Expert/innen der Delta-Kommission der Haager Regierung prophezeien den Anstieg des Meeresspiegels bis zum Jahr 2100 um 65 bis 130 Zentimeter. Diese Werte sind umstritten. Fest steht jedenfalls: Dämme halten den Wassermassen nicht ausreichend stand. Darum ist "Wohnen auf dem Wasser" die pragmatische Antwort der Niederländer auf die Klimakrise.

Der kreative Umgang mit den Kräften der Natur steht auch im Fokus der Agrarsoziologin Ika Darnhofer von der Universität für Bodenkultur in Wien. Sie untersucht die Resilienz von landwirtschaftlichen Betrieben. Wie können Betriebe nachhaltig wirtschaften und sich trotzdem auf dem Markt behaupten? Darnhofer sieht drei Faktoren bzw. Schritte, die widerstandsfähig machen: "Kurzfristige Schocks müssen abgepuffert werden. Dann wird der Betrieb mit kleinen Veränderungen an die neuen Verhältnisse angepasst. Entscheidend wird aber die Transformationsfähigkeit sein. Alte Konzepte müssen hinterfragt und neue entwickelt werden." In der Landwirtschaft führt sie den Biosektor als gelungenes Beispiel dafür an.

Inspirationsquelle Blässhuhn

Regional hergestellte Lebensmittel sind nicht nur qualitätsgeprüft, sondern auch weitgehend unabhängig von einem unsicheren globalen Markt. Nachhaltige Wirtschaftskonzepte, die mehr auf die Qualität statt auf Stückzahlen setzen, die soziale und ökologische Standards implementieren, sind für den Zukunftsforscher Matthias Horx richtungsweisend. "Wir müssen den Exzessen des Konsumatorischen dadurch begegnen, dass wir Qualität suchen." Er spricht von einer Erregungsökonomie, deren Tempo die Verbreitung von Covid-19 massiv beschleunigt habe. Hier gelte es umzudenken. "Resilient ist, wer Veränderungen zulässt", so der Zukunftsforscher.

Anregungen kommen oft so unerwartet wie die Veränderung selbst. Für Koen Olthuis diente das Blässhuhn als Inspiration. Der Wasservogel befestigt sein Nest zum Beispiel an Schilfrohren, an denen es je nach Wasserstand steigen und absinken kann. Die schwimmenden "Wasserwohnungen" sind auf die gleiche Weise mit Ringen an Pfählen verankert.

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