SCHLEICH, BAD RADKERSBURG
Das Objekt der Begierde
Museum im Alten Zeughaus - Bad Radkersburg
„Wenn das Vergangene jemals für immer vorüber wäre und das Bewältigte oder wenigstens Überstandene ein für alle Mal erledigt, dann erst, vielleicht dann erst wäre die Geschichtswissenschaft bedeutungslos und den Museen bliebe nur mehr ihre nostalgische Ästhetik.
Doch das Zurückgebliebene scheint uns fortwährend zu überholen, um immer wieder in wechselnder Verkleidung seinen Tribut zu fordern von denen, die nichts aus der Geschichte lernen.“
2. Juli 2020, 10:55
Museum im Alten Zeughaus
Emmenstraße 9, 8490 Bad Radkersburg
Objekte: selbstgebauter Eisschlitten; Grenzbalken; hölzerne Telefonzelle
Im Stiegenaufgang hinauf zum Beginn der Ausstellungsräumlichkeiten im Bad Radkersburger Museum im Alten Zeughaus begleitet einen - an die Wand geschrieben - diese gedankliche Vorgabe.
Damit ist klar, was man bei der großen Neugestaltung vor gut zwanzig Jahren wollte: Aus einem, sagen wir es altmodisch, Heimatmuseum wurde ein Ort der aktiven und fantasievollen Auseinandersetzung mit Geschichte und vor allem auch Zeitgeschichte. Dafür braucht es nicht notwendigerweise prunkvolle Ausstellungsstücke, auch wenn das Museum über solche verfügt; historische Fotos beispielsweise haben es der seit der Neugestaltung amtierenden Direktorin Beatrix Vreča besonders angetan oder auch Ausstellungsstücke, die in anderen Museen vielleicht gar nie zu einem „Objekt der Begierde“ werden könnten.
Wir stehen vor etwas, das auf den ersten Blick wie ein grober, rechteckiger Holzblock plus zwei Holzstöcke aussieht. Es stammt aus einem Dorf in der Nähe von Bad Radkersburg. Museumsdirektorin Beatrix Vreča erzählt die Geschichte dazu. Es sei eine Besonderheit dieses Stadtmuseums, sich eigens um die umliegenden Dörfer mit jährlich wechselnden Sonderausstellungen und dazugehörigen Festen zu kümmern.
SCHLEICH, BAD RADKERSBURG
Dieses Objekt fungiert - neben vielen anderen - als Dokumentation des Dorflebens aus möglichst persönlichen Perspektiven. Besagtes Objekt stammt aus dem Runddorf Zelting, ein Grenzdorf, das wie viele Dörfer einen Teich in der Mitte hat. Wenn dieser im Winter zufror, wurde er zum Eisspielplatz der Kinder. Nur wenige Familien konnten sich Schlittschuhe für die Kinder leisten, und so wurde so mancher Vater handwerklich aktiv. Dieses Objekt ist eine Art Schlitten mit Eisenkufen und zwei Stöcken, an deren einem Ende ein Nagel befestigt ist, damit sich das Kind - heute der Leihgeber - am Eis fortbewegen konnte.
„Die Zeit ist vorbei.
Die Zeugnisse bleiben.
Ihre Interpretation ist das, was wir Geschichte nennen.
Geschichte wird gemacht.“
Noch eine gedankliche Vorgabe des Bad Radkersburger Stadtmuseums, und selbstverständlich ist ein Ort, der immer ein Grenzort war, prädestiniert für so einen konstruktivistischen Ansatz zur Produktion von Geschichten und Geschichte.
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Der ehemalige Grenzbalken zu Slowenien, der im Moment nicht zuletzt seiner Größe wegen gar nicht Teil der Ausstellung ist, sondern im Museumskeller auf seinen nächsten Auftritt wartet, ist daher ebenfalls ein Lieblingsgegenstand von Museumsdirektorin Beatrix Vreča.
Im Innenhof des alten, ehemaligen Zeughauses von Bad Radkersburg, steht noch ein weiteres besonderes „Objekt der Begierde“: eine hölzerne Telefonzelle. Sie stammt aus einer Zeit, in der nicht jeder ein Smartphone hatte, sondern ein ganzes Dorf gemeinsam ein einziges Telefon.
Das stand entweder im Wirtshaus, oder, wenn es keines gab, auch in Privatwohnungen. Da konnte es schon sein, dass die Eheleute Puntigam in Hummersdorf zu ungewöhnlichen Zeiten zu Nachbarn laufen mussten, wenn das Telefon läutete.
Gestaltung
- Christian Scheib