
OÖ LANDES-KULTUR GMBH
Das Objekt der Begierde
Schlossmuseum Linz
„Die Linzer Kreuzigung kann uns, wie jedes Kunstwerk, über seinen spezifischen Kontext, etwas über die damalige Wahrheit, die damaligen Lebensumstände sagen“, so Dr. Fabian Müller, Sammlungsleiter des Bereichs Kunst- und Kulturgeschichte bis 1918 im Linzer Schlossmuseum (Oberösterreichische Landeskultur GmbH).
10. August 2020, 11:57
Schlossmuseum / OÖ. Landesmuseen
Schlossberg 1, 4020 Linz
Objekt: Linzer Kreuzigung (um 1435)

OÖ LANDES-KULTUR GMBH
2x1,5 Meter misst das riesige, auf Goldgrund gemalte Bild, die sogenannte „Linzer Kreuzigung“. Es gilt als eines der Hauptwerke, wenn nicht das Hauptwerk des „schönen“ bzw. „internationalen“ Stils der Spätgotik.
„Es ist die monumentalste Darstellung des Kalvarienbergs, einer Kreuzigungsszene im Gedränge! Das heißt einer Kreuzigung des Erlösers Jesus Christus, daneben die beiden Schergen, die mit ihm gekreuzigt wurden und zu Füßen der Kreuze eine erregte Menge. Einerseits die Vertreter des alten Glaubens, die römischen Soldaten, also diejenigen die ihn verurteilt und dann auch zum Tode geführt haben. Auf der anderen Seite die klagenden Frauen also Maria Muttergottes, Maria Magdalena, Veronika mit dem Schweißtuch. Einer der Schergen sticht dem Erlöser mit dem Speer noch in die Seite. Engel kommen, um die Seelen zu holen, von einem der Verbrecher wird die Seele auch grade davongetragen.“
Ordnung innerhalb dieses Gedränges schaffen die drei Kreuze. Überlang - also typisch gotisch - betont der Körper des gekreuzigten Heilands die Mittelachse des Bildes. Weitere Elemente verstärken die Vertikale zusätzlich: so hat einer der Schergen gerade einen Essigschwamm auf einen langen Stab montiert, andere Personen zeigen mit auffälligen Gesten nach oben. Alles strebt gen Himmel. Die INRI-Tafel am Kreuz stößt sogar am oberen Bildrand an und scheint die ganze Darstellung davor zu bewahren einfach aus dem Bildfeld zu schweben.
„Und in dem Fall ist es so, dass wir ein eindrückliches Zeugnis geliefert bekommen, wie entscheidend die religiöse Spiritualität zu dieser Zeit war. Mit welchem Aufwand, mit welchen Kosten eben gearbeitet wurde, um ein solches Thema zu verbildlichen, um ein solches Thema eben an diejenigen herantragen zu können, die des Lesens nicht kundig waren. Die nicht die Heilige Schrift und die Erlösungsbotschaft, die frohe Botschaft erfahren konnten, durch das Selbststudium, sondern die das ganz anschaulich verbildlicht bekommen mussten. Und da wurden weder Umstand noch Kosten gescheut, so entscheidend so zentral war das im damaligen Leben.“
Grundstein der Sammlung
Doch in den historischen überakustischen Räumen des Linzer Schlossmuseums verströmt das gotische Riesenbild nicht nur einen Hauch von Spiritualität - es bildet zudem den Grundstein der Sammlung der Oberösterreichischen Landesmuseen. Im Inventar trägt es die Nummer G 1
„Es ist nicht unbedingt das erste Werk, das in den Museumsbestand gekommen ist, aber es befindet sich unter den ersten Kunstwerken, die in den Bestand des damaligen Museumsvereins gekommen sind, der dem Ganzen als Institution zugrunde liegt“, betont Sammlungsleiter Fabian Müller.
1833 wurde der „Verein des vaterländischen Museums für Österreich ob der Enns mit Inbegriff des Herzogthums Salzburg“ gegründet - der Vorläufer der heutigen Oberösterreichischen Landesmuseen. Schnell gewann der kunstinteressierte Verein an Einfluss und Mitgliedern. Sechs Jahre später übernahm Erzherzog Franz Karl die Schutzherrschaft. Für Fabian Müller charakterisiert die „Linzer Kreuzigung“ daher die Sammlungsprofilierung des Vereins und später des Landesmuseums treffend.
„Denn die oberösterreichische Kulturgeschichte wird vor eben allem durch die großen Epochen Gotik und Barock geprägt, vor allem auch durch die sakrale Kunst. Für die Museumsgeschichte nochmal zusätzlich interessant, weil es als eines der ersten Werke in den Museumsverein kam und diese ersten Bestände ausschließlich auf Stiftungen und Schenkungen beruhten und dementsprechend aus dem oberösterreichischen Kontext gekommen sein müssen! Und das ist für uns natürlich wieder ein identitätsstiftender Zusammenhang, weil wir ja für die Oberösterreich und Kulturgeschichte da sind. Also es ist also so ein Brennpunkt unserer Sammlung und unserer Museumsgeschichte.“
Symbol für die Geschichte des Landes
Die „Linzer Kreuzigung“ kann daher ebenso als Spiegelbild, als Symbol für die Geschichte des Landes Oberösterreich gelesen werden. Zu sehen an einigen der Figuren, die ihren Ursprung zum Beispiel südlich der Alpen, im italienischen Trecento haben, erklärt Fabian Müller.
„Das ist zum Beispiel der Typus der Maria Magdalena die das Kreuz umfasst. Das sehen wir in der Arena Kapelle die Giotto ausgemalt hat beispielsweise. Es gibt dann aber auch nördlichere Einflüsse wie dieses starke Gedränge um das Kreuz herum, das ist dann etwas deutsch-, süd-niederländisches, was in diese Linzer Kreuzigung Eingang gefunden hat. Und dieses Miteinander und Ineinander verschiedener Kulturtopografischer Einflüsse, zeigt eben auch wie Oberösterreich durch diesen Kulturtransfer geprägt wurde, durch die Handelsbeziehungen aber eben auch durch die Sozialbeziehungen von den südlichen Niederlanden bis Norditalien, von Böhmen bis nach Frankreich das ging alles mal hier durch, ging auch vieles durch Linz. Und das sieht man dann auch an einem Einzelwerk sehr anschaulich. Es steckt dann eben ganz viel Lebenswirklichkeit, ganz viel Geschichte komprimiert drinnen.“
Gestaltung: Andreas Maurer