Haarlocke Beethovens

PETER UND BIRGIT KAINZ

Das Objekt der Begierde

Wien Museum

Eine Haarlocke als Objekt der Begierde? Es sei ein skurriles Objekt, gibt Lisa Noggler, Kuratorin für Musik am Wien Museum, zu. “Menschliche Überreste würde ich sonst nicht zeigen in einem Museum, da bin ich sehr streng. Es war hier vor allem der Hinweis, was mit seinen Haaren unmittelbar nach seinem Tod geschah“.

Es geht um Ludwig van Beethoven. Geboren vor 250 Jahren in Bonn, gestorben 1827 in Wien. Als sich die Nachricht von Beethovens Tod herumspricht, besucht Freund Stephan von Breuning, der Sohn einer adeligen Bonner Familie, den Toten ein letztes Mal, um seinem Vater Emanuel Joseph von Breuning und seiner Frau Helene ein Andenken in Form einer Locke zu besorgen, erzählt Lisa Noggler, Kuratorin für Musik am Wien Museum. Die beiden waren eng mit dem jungen Beethoven verbunden und blieben es auch nach seinem Umzug nach Wien, denn hier lebte Sohn Stephan, ein Librettist.

Beethoven-Museum

KLAUS PICHLER

Doch als Stephan von Breuning das Totenbett besucht, ist Beethoven ein Glatzkopf. Sein Sekretär Anton Schindler hatte ihn kahlrasiert, und die Haare später zum Teil vermutlich auch verscherbelt. „Wir wissen es nicht genau“, meint Lisa Noggler. „Aber das bedeutet, da gibt’s auch schon einen Kult direkt nach seinem Tod, und eine Begierde.“

Auf den ersten Blick wirkt so eine Haarlocke wie ein banales Beethoven-Kultobjekt. Im hochgefeierten 250. Geburtsjahr von Beethoven liegt es nahe, dass das Wien Museum seinen Standort in Heiligenstadt-das Beethoven-Haus, damit bewerben möchte. Auf den zweiten Blick aber erzählt diese Haarlocke tatsächlich einiges mehr. Darüber, wie es Beethoven ging, welche körperlichen und psychischen Beschwerden er hatte. An seinem Wohnort in der Heiligenstädter Probusgasse, dem heutigen Beethoven Museum, schrieb er das Heiligenstädter Testament an seine Familie in Bonn, ein Brief voller Depression und Verzweiflung.

„Deswegen haben wir dort natürlich auch erzählt, was es bedeutet, 1802 in Heiligenstadt zu sitzen und Angst um sein Gehör zu haben, das er, wie wir ja wissen, später tatsächlich komplett verloren hat. Und da war dann die Locke eine Möglichkeit, zu zeigen, was weiß man denn tatsächlich über seine späteren Jahre, wie er gelebt hat, was weiß man rein körperlich von ihm,“ so Lisa Noggler.

Die Geschichte mit der Bleivergiftung

Da ist die Geschichte mit der Bleivergiftung. Starb Beethoven, weil er zu viel bleiverseuchten Wein getrunken hatte? Weil die Fische in der Donau damals so bleibelastet waren, wie Wissenschaftler in Chicago 1999 herauszufinden glaubten? Das Wien Museum bringt auf den neuesten Stand der Beethoven-Haarprobenanalysen.

Demnach zeigen die untersuchten Haarproben allesamt einen Anstieg von Bleikonzentration. Man weiß auch, dass Beethoven an einer Lungenentzündung erkrankte und im Zuge dessen eine Bauchwassersucht bekam. Um diese zu behandeln, hat man ihn mehrmals punktiert. Um die Wunde zu verschließen, hat man damals Bleipflaster verwendet.

Diese Pflaster waren sein Todesurteil, meint Lisa Noggler, denn: „Beethoven hatte eine sehr schlechte Leber, was man damals noch nicht wusste, und diese hohe Bleibelastung hat schließlich dann zu seinem Tod geführt, also diese Leber konnte dann die Bleibelastung der Pflaster nicht mehr ertragen.“

Gedenkorte für Haydn, Mozart, Strauss und Schubert

Neben dem Beethoven Haus betreibt das Wien Museum auch Gedenkorte für Haydn, Mozart, Strauss und Schubert. Sie erzählen eine Wien-Geschichte, mit der die Stadt Touristen aus aller Welt magnetisch anzieht. Gibt es eine zeitgemäße Art, diese musikalischen Übermenschen auszustellen? Früher seien diese Orte fast Pilgerstätten gewesen, erklärt Lisa Noggler, heute frage man vor allem nach der Beziehung zwischen dem Menschen und der Stadt Wien.

Seine adeligen Kontakte in Bonn-Köln öffneten Beethoven auch in Wien viele Türen. Doch die Wiener Kultur blieb ihm fremd. Im liberaleren Köln - Bonn, ebenfalls von einem Habsburger regiert, war er mehr Freiheiten gewohnt.

„Beethoven hat dort adelige Freunde gehabt zu einem Zeitpunkt, wo das in Wien vielleicht nicht so normal war und er hat dort auch sehr viel Schrifttum und Literatur kennengelernt, das in Wien gerade verboten war, zum Beispiel die Schriften von Kant.

Beethoven kümmerte sich nicht um die strikte Trennung zwischen Adel und Bürgertum in Wien. Und Wien profitiert von diesem lockigen Querkopf bis heute, wo normalerweise unzählige Touristen zu Konzerten und Gedenkstätten der Wiener Klassik pilgern.

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