Lisa Eckhart

APA/HANS PUNZ

Kabarett

Was Sie schon immer nicht über Lisa Eckhart wissen wollten

Ein Riss geht durch die deutsche Geisteswelt, wer je wird die Gräben zuschütten können, welche Lisa Eckhart wie eine notlandende Messerschmitt dort gezogen hat, und zwei Nationen schied - in zwei Lager: in dauerempörte Mimosen und coole Abteilungsleiter, die das satirische Menschenrecht auf Neger- und Muschiwitze verteidigen, solange sie tiefgründig, geistreich und gutaussehend dargeboten werden und - wichtig - keine gesellschaftlichen Mehrheiten kränken.

Lisa Eckhart, mephistophelischer Racheengel der Ambivalenz, sie nimmt und sie schenkt Leben, tötet Lachen in den Gurgeln der Gutmenschen und treibt frisches Blut in die Cordhosen verwitternder Germanisten. Denn gute Mädchen kommen in den Himmel, böse aber auf die Shortlist des deutschen Buchpreises.

Hier nur ein kleiner Ausschnitt aus ihrem atemberaubend provokanten Pussygrabbing an den Heiligen Kühen unserer moralischen Selbstgerechtigkeit.

In ihrem Programm "Die Vorteile des Lasters" - uhuu, schon das klingt frivol - baut sie eine extrem spitzfindige Theorie auf: warum die Deutschen nicht die Juden, sondern lieber Eskimos als Feindbilder wählen sollten, und man fürchtet sich mit Angstgruseln schon vor dem herrinnenmenschlichen Fanal - nur um zu merken, dass das Ganze nur als Steilvorlage für eine Zeltfestpointe diente, die da wäre: dass Eskimos - ja? - Häuser aus Schnee bauen und man um bei ihnen - ja? - einzubrechen nur gegen die Wand Lulu machen muss. Puuuh, wie hintersinnig. Und so volksnah zugleich. Das hätt´ der Villacher Fasching, ja nicht einmal Alfred Dorfer besser hingekriegt.

Doch ist dieser raffinierte Witz nicht mit den plebejischen Maßstäben des Kabaretts zu bemessen, zu diesem Walhalla das Geistes müsste schon ein Expertengremium aus Pfaller, Žižek und Riefenstahl das letzte Urteil sprechen. Uns kleinen Schneebrunzern bleibt indes nichts als zu lachen, weil Iglus eben schmelzen, wenn man Lulu dagegen macht.

Ein abgetakelter Autor namens Richard Schuberth, der seine Karriere vor 30 Jahren als Kabarettist begann und mit einem Roman bei Zsolnay beendete, schrieb in seinem "Neuen Wörterbuch des Teufels" über Political Incorrectness:
"Der Hi-Hi-ismus der kleinen Scheißer. Dümmliches Schmarotzen der Schnösel an der mitunter dümmlichen politischen Korrektheit, deren mitunter berechtigte Provokation bei ihnen zu nicht mehr reicht als dem Nachäffen der allgemeinen Demütigung von Minderheiten und Schwachen. Der Egorausch, sich über die herrschende Moral zu erheben, ist nichts als das intellektuell verbrämte Steckenbleiben in jener Infantilität, die den elterlichen Verboten, dem Schwesterchen die Haare auszureißen und schon wieder in die Hose zu machen, mit einem dämonisch grinsenden Jetzt-erst-recht trotzt."

Das Schöne an Lisa Eckharts Individualismus ist, dass er unter den Laborbedingungen des Unterhaltungsmarktes das Scheitern eines jeden Individualismus vorführt. Sie steht mitnichten über ihrem Publikum. Wenn das übliche "Die traut si wos" und "Boah, is die oarg" einmal nachlässt, zum Beispiel bei ihren gescheiteren Passagen, wenn die Unterhaltungslokomotive mal an Fahrt verliert, müssen prompt Kindermisshandlungswitzchen und Kongolesenvorhäute nachgeschaufelt werden.

Das lustigste an Lisa Eckharts Kabarett ist die Verwechslungskomödie, die es bietet. Sie behauptet nämlich, mit ihren Provokationen ihrem politisch korrekten Publikum den Spiegel vorzuhalten. Doch scheint sie aus Versehen vor dem falschen Publikum gelandet zu sein, denn das sind bestimmt nicht die Gutmenschen, die sie bashen will, sondern saturierte Weder-gut-noch-schlecht-Menschen, die so wie sie glauben, in einer Diktatur der Political Correctness zu leben.

Nichts wäre willkommener als die Kritik der herrschenden Moral. Aber die Moral die Lisa Eckhart kritisiert, ist alles Mögliche, nur nicht die herrschende.

Es gibt einen satirischen Imperativ: Man verarscht die Nashörner nicht vor einem Großwildjägerpublikum, man kritisiert nicht die Konsumverweigerer in der Shopping Mall, man rechnet den naiven Philanthropen nicht im Klub der Misanthropen ihre Widersprüche vor.

Und das ist der wesentliche Unterschied zu ihrem angeblichen Vorbild Elfriede Jelinek. Jelinek greift immer die Macht an. Eckhart glaubt wie eine Falkin über der Gesellschaft zu schweben, weil sie nicht eines dieser harmlosen Mäuschen sein will, die sie genüsslich jagt und deren Kadaver dann immer den Mächtigen vor die Tür legt, und seien es nur die mächtigen alten Männer, denen starke Weiber mit Rasse und Klasse ihr zufolge die Macht abbumsen sollen, anstatt feministisch darüber zu jammern.

Ich habe allerdings einen schrecklichen Verdacht. Viele ihrer Kritiker verachten sie gar nicht wegen ihrer Unkorrektheit, sondern wegen ihrer Arroganz, wegen dieses glamourösen, urbanen, androgynen, unnahbaren, selbstgewissen und selbstzufriedenen Images. Und das ist wirklich das Beste und Mutigste an ihr. Denn insgeheim verzeiht man das einer Frau noch weniger als einem Mann, und die Abscheu vor der unnatürlichen Dekadenz dieser Figur rückt manche von Lisa Eckharts Kritikern näher an die Ideologie heran, die sie ihr in die Schuhe schieben wollen.

Was wäre das für eine wunderbare Satirikerin, wenn ihr Nonkonformismus nicht so konformistisch wäre. Geschmacklosigkeit - bitte sehr, Frivolität - yess, sir. Dekadenz - na endlich, gnadenloser Spott gegenüber identitätspolitischem Essenzialismus und denkfeindlichem Moralismus - unbedingt. Was für coole, gescheite Sachen könnten das sein. Aber solange PC nur aus dem infantilen Spaß am Deppertsein angefochten wird und solange sich Lisa Eckhart - ob mit Absicht oder nicht - zur Jeanne d’Arc der glorreichen, vereinigten Front des Arschlochtums hergibt, ist Lord Nylon die Political Correctness allemal lieber, und er muss die Drecksarbeit wieder selber machen.

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