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"Das Fieber" von Katharina Weingartner

In mehrfacher Hinsicht ist Katharina Weingartners Dokumentarfilm über die schmutzigen Geschäfte mit Malariamedikation gewagt: ausschließlich afrikanische Forscher, Mediziner, Heilpraktikerinnen und Gesundheitshelferinnen kommen zu Wort und erzählen, wie westliche Konzerne im großen Stil regionale Heilmittel gegen Malaria verdrängen. Doch dank der gründlichen Recherche und plausiblen Erzählweise formt sich im Laufe des Films aus der gewagten These eine erschütternde Gewissheit.

Verzweifelt hält die Frau ihr hoch fieberndes Kleinkind im Arm. Das Krankenhaus ist überfüllt, die Ration Gratismedikamente aufgebraucht und das Geld für eine private Behandlung nicht vorhanden. Tausende solcher Szenen spielen sich in Kenia, Uganda und anderen Regionen Afrikas täglich ab. Im Film sind sie bewusst sparsam eingesetzt, denn, so die Regisseurin Katharina Weingartner: "Wir wollten die Erzählung vom Leid in Afrika keinesfalls perpetuieren. Am liebsten hätten wir das gar nicht gezeigt.

Kulturjournal | 22 09 2020 | Katharina Weingartner im Gespräch

Judith Hoffmann

Sie richtet den Fokus lieber auf größere, globale Zusammenhänge: etwa auf die Bill Gates Stiftung, die mit Malaria-Projekten steuersparend Imagepolitur betreibt, oder auf den Schweizer Pharmakonzern Novartis, der Afrika zehn Jahre lang exklusiv mit dem Malariamedikament Coartem versorgte, während lokale Forschungen und Heilmittel systematisch unterbunden wurden.

Kind mit Venenzugang

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Gegen Malaria ist ein Kraut gewachsen

Ein traditionelles Mittel zur Behandlung und Prophylaxe stellt etwa die Pflanze Artemisia annua, der einjährige Beifuß, dar. Sie wurde in China schon vor 2.000 Jahren als Heilmittel gegen Malaria eingesetzt. Auch Heilkräuterexpertinnen in Kenia und Uganda wissen um die 240 Wirkstoffe der Pflanze und setzen sich mit großem Engagement für ihre Verbreitung ein. Etwa in Form von Tees, die sieben Tage lang getrunken werden müssen, um den Parasiten aus dem Körper zu spülen, wie Rehema, eine der Protagonistinnen des Films, erzählt.

Mit solchen Programmen und einer flächendeckenden medizinischen Grundversorgung könnte Malaria in absehbarer Zeit getilgt werden, so der Tenor des Films. Doch es fehlt sowohl an Geld als auch an entscheidenden Zulassungen. Regierung und WHO geben großen westlichen Konzernen den Vorrang, während Jahr für Jahr hunderttausende Menschen sterben.

Unerträglich unverzichtbar

In einer schnellen und schnörkellosen Erzählung aus Beobachtungen, Interviewpassagen und eingeblendeten Texten führt der Film "Das Fieber" vor Augen, wie aus der Armut und Krankheit von Millionen Menschen Profit geschlagen wird, aber er zeugt auch von der Courage, mit der einzelne Menschen in wachsenden Netzwerken dagegen ankämpfen. Sie fordern regionale Lösungen, flächendeckende Prophylaxe etwa mit Artemisia, und vor allem eine generelle medizinische Grundversorgung.

Ihr Engagement gibt Hoffnung, die Übermacht, gegen die sie antreten, stimmt eher verzagt. Und wenn im Hintergrund lastwagenweise Kindersärge durch die Straßen transportiert werden, oder das routinierte Hämmern der Sargtischler den Soundtrack liefert, zeigt sich auf ebenso erschütternde wie augenöffnende Weise die Dimension des Problems. Ein fast unerträglicher, jedenfalls unverzichtbarer Film.

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