Türklinke einer evangelischen Kirche

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Apropos Klassik

Musik aus Luthers Geist

Als am 31. Oktober 1517 Luthers 95 Thesen „Disputatio pro declaratione virtutis indulgentiarum” (Disputation zur Klärung der Ablässe) in Umlauf brachte, konnte man nicht ahnen, welche Konsequenzen für die europäische Kulturgeschichte und darüber hinaus entstehen würden. Fest steht, dass auch die Kirchenmusik durch und von Luther nachhaltig gestaltet und geprägt wurde.

Die Reform der Gottesdienste durch Martin Luther kann mit dem Beginn der evangelischen Kirchenmusik gleichgesetzt werden. 1526 veröffentlichte Lutter die „Deutsche Messe und Ordnung des Gottesdienstes“. Dort finden sich für den liturgischen Einsatz neue, eigene Melodien, die Basis für die folgende musikalische Entwicklung wurden.

Ein feste Burg ist unser Gott

Doch Luther hatte einen musikalischen „Berater“ zur Seite, der zugleich sein Freund war: Johann Walter (1496-1570). Er kümmert sich um das Aussetzen der Melodien und gibt 1524 das „Geistliche Gesangbuch“ heraus. Damit schuf er ein Chorgesangbuch für die damaligen Lateinschulen und neu entstehenden Kantoreien und trug so zum raschen entstehen eines größeren Repertoires bei.

Die Mitwirkung Walters an der Melodie zu „Ein feste Burg“ ist nicht auszuschließen, auf alle Fälle hat er durch den Chorsatz wesentlich zur Verbreitung dieses Liedes beigetragen.

Johann Sebastian Bach

Er darf wohl als eine der zentralen Figuren in der protestantischen Kirchenmusik (und darüber hinaus) gesehen werden: Johann Sebastian Bach (1685-1750). Als Thomaskantor in Leipzig ab 1723 tätig ist sein liturgisches Schaffen enorm und bis heute in der Kirchenmusikpraxis präsent.

Dem Wesen nach baut Bach auf die lutherische Tradition von Bibel und Gesangbuch und ist damit vielleicht weniger modern als seine Zeitgenossen. Rückblickend betrachtet stellt man aber fest, dass sich sein Werk dadurch in den Sphären der Zeitlosigkeit befindet, was zweifellos zuallererst seinem Genie geschuldet ist.

Seine Vertonungen, etwa der biblischen Passionstexte, sind hörbar inspiriert von dem Bestreben der theologischen Deutung des Geschehens in und über die Musik. Die uferlose Symbolik, die wir in dieser Musik finden, entschlüsselt sich auch dem Menschen von heute nicht vordergründig, sondern auf zur Auseinandersetzung, zur Reflexion. Dass das auf höchstem künstlerisch-musikalischem Niveau geschieht soll der Vollständigkeit halber erwähnt werden.

Die Bach-Renaissance durch Mendelssohn

Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809 Hamburg – 1847 Leipzig) ist in diesem Kontext Rückblickend als zentrale Figur der Wiederentdeckung Bachs zu sehen. Das musikalische Wunderkind wurde in ein aufgeklärtes, assimiliertes jüdisches Milieu hineingeboren. Sein Großvater war der Philosoph Moses Mendelssohn. Im Haus der Eltern in Berlin traf man Schleiermacher, Heine und Humboldt, die auch Gäste der ersten Hauskonzerte des jungen Felix und seiner Schwester Fanny waren. 1816 ließ der Vater die Kinder protestantisch-reformiert taufen, zeitlebens verleugnete Mendelssohn aber nie seine jüdischen Wurzeln. Musikalisch war er von jüngsten Jahren an produktiv, mit 15 Jahren hatte er bereits etwa 150 (!) Werke verfasst.

Am 11. März 1829 fand in Berlin die Wiederaufführung der Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach statt. Dieses Konzert mit der Berliner Singakademie hat wesentlich zur Wiederentdeckung der Vokalwerke des Leipziger Thomaskantors beigetragen. In diese Zeit fällt auch die Komposition einer „Sinfonie zur Feyer der Kirchenreformation“. Dieses Werk war für die Feierlichkeiten zum dreihundertsten Jubiläum der Übergabe der Augsburger Konfession im Juni 1830 gedacht.

"lieber verbrennen, als irgend eins meiner Stücke, soll niemals herauskommen“.

Mendelssohn hatte hier aus offensichtlichen inhaltlich-programmatischen Gründen verschiedene Melodienzitate eingebaut, wie etwa das „Dresdner Amen“ oder den Luther-Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“. Die erhoffte Aufführung zu diesem festlichen Anlass fand aber leider nicht statt. So bemühte sich der junge Komponist um eine Aufführung außerhalb Berlins. Doch auch die Versuche, die Symphonie in Leipzig, München, Paris oder London zur Aufführung zu bringen, scheiterten.

Schließlich fand im November 1832 die Uraufführung – doch in Berlin statt. Der erhoffte Erfolg blieb aus, Publikum und Kritik reagierten zurückhaltend. Ob das alleine der Grund war, dass Mendelssohn das Werk zurückzog und zu Lebzeiten nicht mehr aufführte, ist nicht ganz klar. Überliefert ist sein Ausspruch, er wolle das Werk „lieber verbrennen, als irgend eins meiner Stücke, soll niemals heraus-kommen“. Erst posthum wurde die Symphonie in d-moll veröffentlicht und zählt inzwischen, auch wegen der programmatischen Verarbeitung des „Reformations-Gedankens“ mit zum Konzertrepertoire vieler führender Orchester.

Dieses eine Kirchenlied

Neben zahllosen kirchenmusikalischen Werken ragen die beiden vollendeten Oratorien „Paulus“ Op. 36 und Elias Op. 70 heraus. In diesen Werken sublimiert Mendelssohn einerseits seine profunde Kenntnis der alten, tradierten Kirchenmusik, er zeigt seine Meisterschaft im vielfältigen Einsatz des Chores (zweifelsfrei hat er seinen Palestrina studiert!), und die Aufführungspraxis der Bachwerke hat auch ihre Spuren hinterlassen.

Anhand dieser ausgewählter Meilensteine zeigt sich, dass der musikalische Bogen von Luther ausgehend bis heute an diesem einen Kirchenlied festgemacht werden kann: Ein feste Burg ist unser Gott!.