Eugen Onegin

"Dann spielt es eben nicht!", Tschaikowsky

Als Alexander Puschkin in den Jahren 1825 bis 1831 seine Erzählung "Eugen Onegin" schrieb und dabei die erschütternde Duellszene zwischen Lenski und Onegin verfasste, konnte er wohl kaum ahnen, dass er selbst nur wenige Jahre später bei einem Duell um sein Leben kommen sollte.

Natalia Pushkina, gemalt von Alexander Brullov

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Natalia Pushkina, gemalt von Alexander Brullov

Puschkin hatte viele Neider in der St. Petersburger Gesellschaft. Seine Feinde wussten, dass er eifersüchtig war und versuchten ihn deshalb durch anonyme Briefe über den angeblich leichtsinnigen Lebenswandel seiner Frau Nathalie zu provozieren. In der Tat hatte sich ein französischer Gardeoffizier leidenschaftlich in Puschkins Frau verliebt und machte ihr offen den Hof. Sogar der Zar fühlte sich genötigt, Nathalie zu raten, mehr auf ihren guten Ruf bedacht zu sein.

Doch letztendlich kam es zum Duell: Puschkin wurde tödlich verletzt und starb zwei Tage später, während besagter französischer Offizier nur leichte Verletzungen erlitt. Die Nachricht über Puschkins Tod verbreitete sich schnell und Tausende Menschen kamen, um sich vom genialen Dichter zu verabschieden. Aus Angst vor Unruhen lies die Regierung seinen Leichnam in die Provinz überführen, wo der Dichter in aller Stille begraben wurde. Nur 38 Jahre war er alt geworden.

Der Poet als Wortführer aller Gefühle

Man war empört darüber, dass es ein Ausländer war, der in einem Duell "die Sonne der russischen Poesie" getötet habe. "Puschkin ist bei uns der Anfang aller Anfänge", so Maxim Gorki. "Er empfand als erster, dass die Literatur eine nationale Angelegenheit von allergrößter Bedeutung ist; er war der erste, der den Literatentitel auf eine Höhe erhob, die vor ihm unerreichbar war. In seinen Augen ist der Poet ein Wortführer aller Gefühle und Gedanken des Volkes. Er ist berufen, alle Lebenserscheinungen zu verstehen und sie darzustellen."

So wie es hier Gorki charakterisiert hat, verstand es Puschkin über das Leben der Aristokraten genauso wie über die Sorgen der kleinen Leute zu schreiben. Nikolai Gogol hat es folgendermaßen ausgedrückt: "In Puschkin spiegeln sich die russische Natur, die russische Seele, die russische Sprache, der russische Charakter in solcher Klarheit, in solcher reinen Schönheit, wie sich eine Landschaft in der gewölbten Fläche eines optischen Glases spiegelt."

"Es lag mir nur daran, den Onegin durch meine Musik zu illustrieren", Tschaikowsky

Peter Iljitsch Tschaikowsky war 1877 auf Pushkins Versroman "Eugen Onegin" aufmerksam geworden und war so tief berührt davon, dass er sich entschloss, das literarische Werk als Grundlage für eine Oper zu verwenden. Tschaikowsky war dabei bewusst, dass er sich mit einem solchen Werk gegen tradierte Opernformen in Struktur und Ausdrucksmitteln stellte.

"Es lag mir nur daran, den Onegin durch meine Musik zu illustrieren. Ich zitterte und verging, von einer unbeschreiblichen Seligkeit erfasst, als ich ihn komponierte" - heißt es in einem Brief des Komponisten, und an anderer Stelle: "Ich pfeife darauf, dass es keine bühnenmäßige Oper wird. Dann spielt es eben nicht! Ich habe diese Oper nur komponiert, weil ich eines Tages das unüberwindliche Verlangen fühlte, alles, was im Onegin geradezu nach einer Vertonung verlangt, in Musik zu setzen. Und das tat ich auch, so gut ich es vermochte. Ich habe mit ungeheurer Begeisterung und tiefem Genuss an dieser Oper gearbeitet, ohne mich um Wirkungen zu kümmern."

Den Konventionen zum Trotz

Tschaikowsky war sich bewusst, dass er mit seinem damals gegen jede Opernkonvention geschriebenen "Eugen Onegin", den er bewusst nicht Oper, sondern Lyrische Szenen betitelte, kein Werk für große Opernbühnen mit Starrummel geschaffen hatte. Ja er soll sogar einmal mittelmäßige Sänger für den Onegin gefordert haben, Sänger allerdings, die gut spielen sollten. Er wollte auch keine pompöse Ausstattung und keinen Chor, der nur als Herde herumläuft, sondern Menschen, die an einer Handlung beteiligt sind.

Dies alles im Sinn vergab er die Uraufführung - am 19. März 1879 - nicht etwa an eine große Bühne, sondern an das kleine Theater von Moskau als Spielstätte des Moskauer Konservatoriums. Man ersieht daraus, Tschaikowsky ging es nicht um eine große pathetische, schicksalsdurchdrängte Opernhandlung, wie sie oft auf großen Bühne gezeigt wird, sondern um das geheime menschliche Fühlen und Denken junger Menschen, die ohne Sentimentalität der nervösen Sensibilität vereinsamter Jugend Ausdruck zu geben im Stande sind.