LENA GÖBL
Tao
Mein Tempel, meine Kirche, mein Gotteshaus
Buddhistische Klöster, Hindu-Tempel, Kirchen, Synagogen oder Moscheen: All diese Orte können für gläubige Menschen eine spirituelle Heimat sein. Auch junge Gläubige fühlen sich in ihren "Gotteshäusern" geborgen, tanken dort Energie für den Alltag oder nutzen den Ort einfach nur für das regelmäßige Gebet.
4. Jänner 2021, 02:00
In Österreich gibt es mehr als 350 Moscheen und muslimische Gebetsräume, eine davon ist die Selimiye Moschee des Türkischen Kulturvereins ATIP in Saalfelden. Für Adis Serifovic ist es ein Ort, der für ihn Ruhe und Heimat ausstrahlt. Er ist junger praktizierender Muslim aus Salzburg. Als Bundesvorsitzender der muslimischen Jugend in Österreich beschäftigt er sich viel mit der islamischen Theologie. Ihre Auslegung, so Serifovic, führe immer wieder zu Konflikten innerhalb der islamischen Religionsgemeinschaft.
"Derzeit hat der Islam ein starkes Imageproblem."
Die islamische Theologie an sich sei für ihn perfekt, die Übersetzungen und unterschiedlichen Lehren weltweit aber nicht alle für ihn vertretbar: „Die Geschichte des Islam ist von Hochs und Tiefs geprägt - und derzeit hat der Islam ein starkes Imageproblem, das von uns jungen Muslime und Musliminnen aufpoliert gehört.“
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Im Alter von fast 20 Jahren hat sich der mittlerweile 29-jährige Schriftsteller und Student entschlossen, zum Islam überzutreten. Serifovic ist Österreicher mit bosnischen Wurzeln und hat sich in seiner Kindheit als Christ gefühlt – und schon immer einen Drang zur Spiritualität verspürt. „Mein Vater ist Muslim und meine Mutter Christin, wir haben alle religiösen Feiertage gefeiert, ansonsten ist Religion in unserem kommunistisch geprägten Haushalt kein großes Thema gewesen“, so Serifovic.
Mit 16 Jahren hat er sich dann das erste Mal genauer mit dem Islam beschäftigt und seine Vorurteile aus dem Weg geräumt. Den Tag beginnt Serifovic mit dem Fedschr-Gebet, dem morgendlichen Beten im Islam, es folgen vier weitere im Lauf des Tages.
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„Sprich Gutes oder schweige.“
Der Islam ist auch prägend für den Alltag des Studenten: Serifovic isst kein Schweinefleisch, versucht die fünf täglichen Gebete sowie das Freitagsgebet regelmäßig zeitgerecht zu verrichten und trinkt keinen Alkohol. „So banal es klingt, aber im Koran heißt es ‚Sprich Gutes oder schweige‘, und das versuche ich auch umzusetzen“, sagte Serifovic.
Vor 100 Jahren wurde durch den Staatsvertrag von St. Germain allen Bürgerinnen und Bürgern in Österreich das Recht zugesprochen, ihre Religion, egal ob diese rechtlich anerkannt ist oder nicht, auch im öffentlichen Raum ausüben zu dürfen. Und trotzdem sei es für ihn immer mit einem Herzklopfen verbunden, seine Gebete in der Öffentlichkeit zu verrichten, sagte Serifovic.
„Damit Gott auf mich schaut.“
Für die 18-jährige Schülerin Anna Müller ist die Wotrubakirche im 23. Bezirk in Wien ein Ort des Auftankens und gleichzeitig ein zweites Zuhause. Vor allem nach einer stressigen Woche in der Schule kommt sie gerne, um sich zu sammeln und das Erlebte zu verarbeiten.
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Müller hilft mit bei Messen und Gottesdiensten: „In letzter Zeit spielt der Glaube in meinem Leben eine größere Rolle, weil viel drunter und drüber geht, auch in der Schule. Durch meine Religion fällt es mir leichter, eine reflektierte Sicht auf viele Dinge zu haben.
Das Bekreuzigen vor einer Schularbeit ist Müller wichtig, denn so wisse sie, dass Gott sie behüte und sie die Schularbeit schaffen könne. Die Kirche gibt der Schülerin in den unterschiedlichsten Lebenssituationen Halt, dennoch würde sie gerne Dinge in der katholischen Kirche ändern, etwa, „dass auch Priester eine Familie haben dürfen“.
"Das Judentum geht weiter und es ist wichtig nicht in der Vergangenheit hängen zu bleiben.“
LENA GÖBL
Als junge Jüdin sei man immer wieder mit der Schoah konfrontiert, sagte Shany Tropper aus Graz. Vor über einem Jahr wurde im Untergeschoss der Synagoge in Graz die Ausstellung „Erbe - Gegenwart - und Zukunft“ eröffnet. Für Tropper ist es wichtig, zu erinnern, aber: „Die Schoah und die jüdische Vergangenheit im Allgemeinen gehören zu meiner Religion. Wichtig ist aber, dass wir nicht in die Opferrolle geraten. Das Judentum geht weiter und es ist wichtig, es in der Gegenwart zu leben und in die Zukunft zu blicken und nicht in der Vergangenheit hängen zu bleiben.“
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Für Tropper sind weniger die religiösen Aspekte des Judentums von großer Bedeutung, sondern vielmehr die Traditionen, die mit der Religion verbunden sind. Jüdin sein in Österreich bedeute für sie, „dass für mich jeden Freitag Sabbat ist, dass ich mich in meiner Gemeinde wohl fühle und dass ich meine Religion auch meinen Kindern weitergeben will.“ Daran, dass sie Jüdin ist, zeigen viele Menschen großes Interesse und stellen Fragen: „Das liegt vermutlich daran, dass es nicht so viele von uns gibt.“
Als Jüdin fühle sie sich in vielen jüdischen Gemeinden daheim, egal ob in der Synagoge in Graz, in den USA oder in Tel Aviv. Ihr Glaube gebe ihr Halt und Sicherheit. Und doch gebe es Unterschiede - gerade zu Israel: Zum höchsten Feiertag des Judentums, Jom Kippur, etwa würde man in Israel kaum Menschen auf den Straßen sehen, in Österreich aber ist es für die meisten Menschen ein Tag wie jeder anderer, sagte Tropper. Das mache es schwierig, den ganzen Tag zu fasten. Das Feiertagsgefühl stellt sich aber spätestens am Abend ein, wenn Tropper mit ihrer Familie die Synagoge besucht - und sich in der jüdischen Gemeinschaft ganz zu Hause fühlt.
Gestaltung: Lena Göbl