Nach der Explosion in Beirut

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Diagonal

Stadtporträt Beirut

Die verheerende Explosion im Hafen von Beirut hat einmal mehr die fatale Verflechtung von Politik und Korruptionswirtschaft offengelegt. Sie hat den Libanon an den Rand des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruchs gebracht.

Diese Beirut Sendung ist nach 2006 und 2017 bereits das dritte Diagonal über die libanesische Hauptstadt. Vor drei Jahren haben Johann Kneihs und Peter Waldenberger für ihr Stadtporträt den 30 - jährigen Ibrahim Nehme, Herausgeber des multidisziplinären, zukunftsorientierten Print-Magazins „The Outpost“ getroffen, das es mittlerweile nicht mehr gibt. „The Outpost“ wollte ein Magazin sein, das nach seiner Selbstbeschreibung Möglichkeiten in der arabischen Welt aufzeigen und einen soziokulturellen Wandel anstoßen würde; Möglichkeiten für positive Veränderungen sollten erforscht und erschlossen werden. Das Magazin war in Beirut, Libanon herausgegeben und weltweit distribuiert worden.

Nach der Beiruter Hafen-Explosion im August 2020 nahm Diagonal wieder Kontakt zu Ibrahim Nehme auf und bekam die Nachricht, dass er bei der verheerenden Katastrophe schwer verwundet wurde. Für das aktuelle Diagonal über Beirut schrieb Ibrahim Nehme einen berührenden Text, den er selbst eingelesen hat.

Rund 3.000 Tonnen des hoch explosiven Düngemittels Ammonium Nitrat haben mitten im Zentrum der Hauptstadt eine Detonation von der Wucht eines mittleren Erdbebens ausgelöst. Die Folgen: 200 Tote und mehr als 6.500 Verletzte. Ganze Stadtbezirke wurden in Schutt und Asche gelegt.

Explosion, Beirut, August 2020

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Die Beiruter Bevölkerung wartet bis heute auf Hilfe für den Wiederaufbau ihrer Häuser, Geschäfte und Wohnungen. Das politische Versprechen von Entschädigungszahlungen wurde bis heute nicht eingelöst. Das Versagen jedweder staatlicher Unterstützung trifft dieses Mal nicht nur die Ärmsten, sie treibt auch die Mittelklasse an den Rand der Armutsgrenze.

Die Herausforderungen des Wiederaufbaus treffen mit einer Finanz- und Wirtschaftskrise nie dagewesenen Ausmaßes zusammen - die Corona Pandemie verschärft die Lage zusätzlich: Das libanesische Pfund hat im vergangenem Jahr 80 Prozent an Wert verloren. Preise für Dinge des täglichen Bedarfs sind um das fünf- bis sechsfache gestiegen. Zudem verwehren Banken den Zugriff auf private Spar-Konten.

Es ist über die Jahre - dieses Mal und aus aktuellem Anlass - die bereits dritte Diagonal-Erkundung in der libanesischen Hauptstadt Beirut. Den Lokalaugenschein im Hafen unternehmen der Reisebeschränkungen wegen lokale Journalisten. Dort wo sich die Verflechtung von Korruption, Infrastruktur und Überlebensperspektiven in der Metropole auf drastische Weise verdichtet.

Akustische Tagebücher von den Folgen der Katstrophe auf den Alltag und die Psyche der Stadt mischen sich mit Gesprächen, die die Explosion in ihrem größeren politischen Zusammenhang einordnen.