Joseph-Darsteller

AP/ARIEL SCHALIT

Memo

Der Statist in der Weihnachtskrippe - „Nährvater“ Josef

In der bildenden Kunst fristet er im wahrsten Sinn des Wortes ein "Schattendasein": Ochs und Esel, die Hirten mit ihren Schafen (und ab dem 6. Jänner auch die "Heiligen Drei Könige") - sie alle haben ihre Funktion und ihre Bedeutung. Josef bleibt hingegen als "Nährvater" ein Statist an der Krippe mit dem Christkind.

In der Bibel schweigt er - es ist kein einziges "Josephswort" überliefert. Dargestellt wird er oft mit dem Jesuskind auf dem Arm und mit der Lilie in der Hand - als Symbol der Keuschheit: Der Begriff „Josefsehe“ als Bezeichnung für eine sexuell enthaltsame Beziehung ist heute freilich nicht mehr oft zu hören.

Guido Reni, Josef von Nazaret (1640)

Guido Reni, "Josef von Nazaret" (1640)

GEMEINFREI

Mittelständischer Bauunternehmer

Er gilt außerdem als Patron der Handwerker: Die in den meisten Bibelübersetzungen gebräuchliche Bezeichnung als „Tischler“ oder „Zimmermann“ ist aber etwas irreführend. Nach neuesten Forschungen scheint er eher so etwas wie ein kleiner Bauunternehmer, also „gehobener Mittelstand“, gewesen zu sein.

Patron der Arbeiter

Als bescheidener „Arbeiter“ wurde Josef von der Kirche sowieso erst spät entdeckt, obwohl schon früh auch diverse Werkzeuge zu seinen Attributen zählen. Der 1. Mai, der "internationale Kampftag der Arbeiterklasse", wurde erst 1955 von Papst Pius XII. als Gedenktag an "Joseph, den Arbeiter" katholisch "um-interpretiert".

Patron der Sterbenden

In der katholischen Volksfrömmigkeit wird der Heilige Josef traditionell um eine „gute Sterbestunde“ gebeten. Er wird auch in der Regel als alter Mann dargestellt – ein biblischer Rückschluss: Weil er in den Berichten über den erwachsenen Jesus (im Gegensatz zur Mutter Maria) nicht mehr erwähnt wird, muss er bereits gestorben sein.

Patron der Kirche

Papst Franziskus hat das Jahr 2021 unter den besonderen Schutz des Heiligen Josef gestellt - denn vor 150 Jahren wurde der „Nährvater“ auch zum „Patron der Kirche“ erhoben. Als „bedingungsloser Beschützer“ spiele Josef nämlich in Wahrheit, so der Papst, in der Heilsgeschichte eine „unvergleichliche Hauptrolle“.

Tatsächlich hätte er sich auch anders entscheiden können: Seine Braut Maria, so viel steht fest, wird schwanger - aber nicht von ihm. Doch er verstößt sie nicht (was damals sein gutes Recht gewesen wäre), bewahrt sie also vor der sozialen Ausstoßung, und nimmt das Kind wie sein eigenes an.

Ein Schläfer

Im Wiener Stephansdom ist (vorne links) das ganze Jahr eine Darstellung der Weihnachtskrippe zu sehen. Der „Wiener Neustädter“ zeigt Ochs und Esel, die Jungfrau Maria und das Jesuskind- und natürlich auch den Heiligen Josef: halb eingeschlafen, den Kopf resignierend auf die linke Hand gestützt.

„Josef vertritt hier die einfachen Gläubigen“, so die Interpretation von Domarchivar Reinhard Gruber. Er ist einfach überwältigt. Wie die meisten Menschen kann er das „Wunder der Heiligen Nacht“ kaum fassen: Wie kann Gott Mensch werden? Da wendet er sich lieber ab und schließt die Augen.

Maria- und Josef-DarstellerInnen

AP/ARIEL SCHALIT

Ein Träumer

„Damit tut man Josef ein wenig unrecht“, sagt hingegen die evangelische Theologin Jutta Henner, Leiterin der Österreichischen Bibelgesellschaft. Josef ist in biblischer Tradition ein großer Träumer. Ein Engel überzeugt ihn im Traum davon, seine Verlobte nicht zu verlassen. Und ein weiterer Traum sollte ihn dann zur Flucht nach Ägypten bewegen.

Träume haben in der Bibel immer eine besondere Bedeutung - besonders auch bei einem anderen, bedeutenden Josef im Ersten oder Alten Testament. Vor ihm verneigen sich im Traum Sonne, Mond und Sterne - und leider auch seine Brüder, die ihn dafür in einen Brunnen werfen. Doch so gelangt Josef nach Ägypten und rettet das Land vor einer Hungersnot.

Gesetzestreuer Jude

Ein weiterer wesentlicher Aspekt: Nach Auskunft der Evangelien war Josef ein „Gerechter“ – das heißt: ein gesetzestreuer Jude. Folgerichtig wird Jesus auch am achten Tag nach seiner Geburt, wie es das Gesetz verlangt, beschnitten. Nach alter, kirchlicher Tradition wird daher am 1. Jänner das Fest der „Circumcisio Christi“ gefeiert.

Schoonjans jugendlicher Josef

Josef ist aber nicht immer und überall der alte Mann mit der Lilie: Für den südlichen Vierungsaltar im Wiener Stephansdom hat ihn Anthoni Schoonjans, der Hofmaler von Kaiser Karl VI., jugendlich und gut aussehend gemalt: denn sonst, so die Argumentation des Künstlers, wäre eine „Josefsehe“ für ihn kein Opfer gewesen.

Gestaltung

  • Markus Veinfurter