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Salzburger Nachtstudio
"Umerziehung", und wie man sie anlegt
Wie man aus Herdentieren Demokraten macht und umgekehrt. Haben wir eine Chance, religiöse oder politische Extremisten zu friedlichen Zeitgenossen zu erziehen? Spätestens seit dem fatalen Misserfolg in der Deradikalisierung des islamistischen Attentäters von Wien kommen hierzulande Zweifel daran auf.
5. März 2021, 02:00
Die Politikwissenschaftlerin und Publizistin Nina Scholz, mit den Spezialgebieten Integrationspolitik, Europa, Menschenrechten und Islam, ortet da und dort einige Denkfehler bei der Deradikalisierung von Islamisten, die oft durchaus gut integriert und ausgebildet sind. Ihrer Meinung nach wird die Kraft der Ideologie unterschätzt.
"Der Ansatz, dass es nur mit Diskriminierung zu tun hat ist, meiner Meinung nach, einseitig, erklärt nicht viel und unterschätzt die Kraft der Ideologie. Nämlich, dass die Leute davon überzeugt sind das Gute und Richtige zu tun. Etwas zu tun, dass nicht nur ihnen und ihrer Gruppe, sondern der ganzen Menschheit zum Heil gereicht", sagt die Politikwissenschaftlerin Nina Scholz.
Doch es gibt auch Beispiele, wo die Deradikalisierung gelungen ist. Bereits während des Zweiten Weltkriegs arbeiteten die US-Amerikaner in ihre Ausbildungslagern in „Camp Ritchie“ und „Camp Sharpe“ nicht nur an geistigen Kriegsführung, sondern an der kommenden demokratischen „Re-Education“ der Deutschen und anderer europäischer Völker, die von Nationalsozialismus und Faschismus im Sinn eines ungeheuren Zivilisationsbruchs verbildet worden waren.
Als „Umerziehung“ bezeichnete man das nach 1945 dann auf Deutsch und sie wurde von den Betroffenen nicht immer in positivem Zusammenhang genannt. Dabei begründete diese Umerziehung Europa nach 1945 als mehrheitlich demokratisch verfassten Kontinent. Die österreichischen Historiker Florian Traussnig und Robert Lackner haben dazu wegweisende Forschungsarbeiten vorgelegt. Damals gingen die Amerikaner recht geschickt vor, meint Traussnig.
"Es nützt Nichts, den American Way of Life durch Nachrichten und Filme nach Europa zu tragen. Es nützt Nichts Amerika zu kopieren. Es braucht einen Hybriden aus zentraleuropäischer Kultur und amerikanischer Medienprofessionalität", erklärt der Historiker Florian Traussnig.
Obwohl die Erziehungswissenschaft und die Psychologie den Begriff als solchen gar nicht kennen, scheinen doch alle irgendwie zu wissen, was mit „Umerziehung“ gemeint ist. Das Spektrum ist breit: Seine Vielgestalt äußert sich beim kommunistischen Agitator Antonio Gramsci und seinen raffinierten Rezepten zur schleichenden Erringung kultureller Hegemonie und Diskurshoheit durch die Linke ebenso wie durch die brutalen Brachialmethoden im realen Sozialismus, wie in der DDR. Subtiler gehen andere Kräfte vor, die zur nachhaltigen Gängelung und Manipulation angetreten sind, etwa in der Ausgestaltung des digitalen Datenkapitalismus chinesischer Prägung. Oder ist der Unterschied zwischen der chinesischen und der westlich-demokratischen Wirtschaftsmethode gar nicht so groß? Von klassischem Marxismus hat die chinesische KP allenfalls die Unterdrückung ihrer Untertanen beibehalten.
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"In der chinesischen Reformbewegung, die schon in den 1970er Jahren eingeleitet wurde, gab es den Spruch: 'Es ist uns egal ob die Katze schwarz oder grau ist, Hauptsache sie fängt Mäuse.' Und die Managementmethoden die, die Chinesen verwenden sind ja völlig vergleichbar mit den westlichen Methoden", sagt der deutsche Wirtschafts- und Politikwissenschaftler Ayad Al-Ani, er ist Experte für Change Management, Organisationstheorie und Digitalisierung und unter anderem Angehöriger des Einstein Centers Digital Future in Berlin.
"Es gibt ein Dokument, das darstellt wie die amerikanische Hightech-Branche ihre chinesischen Mitbewerber betrachtet. Wenn man sich dieses Dokument anschaut, das zum Beispiel die chinesischen digitalen Maßnahmen im Bereich der Bildung, des Gesundheitswesens, des social credit Systems, in dem das Wohlverhalten der Bürger gemessen und analysiert wird, beurteit. So kommen die Amerikaner in diesem Dokument eigentlich zu keiner inhaltlichen Kritik", sagt Wirtschafts- und Politikwissenschaftler Ayad Al-Ani.
Martin Haidinger spricht im „Salzburger Nachtstudio“ mit Experten beiderlei Geschlechts über „Umerziehung“ in viele Richtungen.
Service
"Widerstand in Organisationen . Organisationen im Widerstand: Virtuelle Plattformen, Edupunks und der nachfolgende Staat", Ayad Al-Ani, Verlag; Springer 2017
"Camp Ritchie und seine Österreicher", Robert Lackner,Böhlau Verlag Wien, 2020
"Die Psychokrieger aus Camp Sharpe: Österreicher als Kampfpropagandisten der US-Armee im Zweiten Weltkrieg", Florian Traussnig, Böhlau Verlag Wien, 2020
"Politischer Kitsch. Eine deutsche Spezialität", Alexander Grau, Claudius Verlag, München 2019,
"Alles für Allah: Wie der politische Islam unsere Gesellschaft verändert", Heiko Heinisch, Nina Scholz, Molden Verlag, Wien 2019