Wildschwein im Wald

APA/DPA/LINO MIRGELER

Radiokolleg

Zukunft Wald

Der Wald gilt für viele Menschen als der Hoffnungsträger gegen den Klimawandel. Denn ein artenreicher und gesunder Wald unterstützt mit einer Vielfalt an Bodenlebewesen nicht nur die langfristige Bindung des Kohlenstoffs im Waldboden, sondern wirkt auch als potentiales Netzwerk mannigfaltiger Organismen. Dennoch ist der Wald selbst vom Klimawandel und Schädlingen in Mitleidenschaft gezogen.

„Dem österreichischen Wald geht es, allen Unkenrufen zum Trotz, derzeit sehr gut. Die Waldfläche in Österreich ist so groß wie seit vielen hunderten Jahren nicht mehr. Und auch die Menge an Holz, die in unseren Wäldern steht, ist so groß wie nie zuvor“, erklärt Silvio Schüler - Experte für Waldwachstum, Waldbau und Genetik am Bundesforschungszentrum für Wald, kurz BFW. Beinahe die Hälfte Österreichs ist mit Wald bedeckt. Eine Fläche, die pro Jahr auch noch um rund 4800 Fußballfelder anwächst. Somit ist Österreich - nach Slowenien – das am dichtesten bewaldete Land Mitteleuropas.

Doch Sturm und Schneebruch sowie extreme Hitze und Trockenperioden haben die Wälder in den vergangenen Jahrzehnten bereits dramatisch geschädigt. Vor allem die Borkenkäferkalamitäten sorgen jährlich für mehre Millionen Festmeter Schadholz. Es sind beunruhigende Zustände, die nun stetig zunehmen werden. „Der Klimawandel schreitet so schnell fort, dass innerhalb eines Baumlebens wir mit Temperaturänderungen von 2 bis 5 Grad Celsius rechnen müssen“, so Silvio Schüler. „Und diese starke Klimaveränderung ist mehr als die meisten Baumarten wirklich überstehen können.“

Großteil der Wälder sind Ertragswälder

82 Prozent der österreichischen Wälder sind Ertragswälder. Und diese Flächen werden nach wie vor von nur einer einzigen Baumart dominiert: der Fichte. Ihre Bestände sind hochautomatisiert, leicht zu verwalten und verkaufstechnisch wertvoll. Sprich, ein industrielles Ideal. Zumindest waren sie das bis in die 1990er Jahre. Denn die vereinfachten Plantagensysteme fallen mehr und mehr den sich ändernden Bedingungen zum Opfer. Waldbewirtschafter, die um ihren Lebensunterhalt fürchten, setzen daher vermehrt auf komplexere, naturnahe Mischwälder mit einer Vielzahl an Mykorrhiza-Pilzen, Vögeln und Insekten. Natürlichkeit als Waffe gegen den Klimawandel, lautet nun die Devise.

Eine Alternative, um klimastabile Wälder zu schaffen, bietet auch die Einführung bislang nicht heimischer Baumarten. Vor allem die Douglasie, die Küstentanne und Roteiche gelten als vielversprechend. Doch während viele Waldbewirtschafter in den eingebrachten Pflanzen ein hohes Potential sehen, hegen Naturschützer oftmals Vorbehalte gegen diese und fürchten um die heimische Biodiversität.

Wo Natur noch Natur sein darf

Im Nationalpark Kalkalpen und zahlreichen anderen europäischen Schutzgebieten hat sich in den vergangenen Jahren die ‚Tu Nichts‘ - Philosophie durchgesetzt: Von den 21.000 Hektar Nationalpark Kalkalpen sind aktuell rund 17.000 Hektar Naturwald - hier darf sich der Wald gänzlich ohne menschliches Eingreifen entfalten. Somit werden die Fichten ihrem sicheren Tod überlassen und zurück bleiben nur mehr skelettartige Monumente auf verödeten Flächen. Doch was auf den ersten Blick nach Wüste aussieht, ist der Anfang neuen Lebens.

„Der Käfer ist ein wichtiger Mitarbeiter, der noch dazu gratis und sehr verlässlich arbeitet."

„Denn durch den Borkenkäfer und andere Störungen steigt die Nischenvielfalt im Nationalpark und mehr und mehr Arten kehren zurück“, so die Rangerin Maria Laussamayer. „Der Käfer ist ein wichtiger Mitarbeiter, der noch dazu gratis und sehr verlässlich arbeitet. Er lichtet den Wald auf, er schafft neue Strukturen, neue Biotope.“

Wird hingegen kahlgeschlägert, um den Käfer zu stoppen, sind die Folgen für Waldökosysteme oft katastrophal. Eine Bilanz, die vor allem am Humusgehalt der Waldböden sichtbar wird: Während intakte Mischwälder etwa 130 Tonnen Waldhumus pro Hektar aufweisen, bleiben den kahlgeschlagenen und wieder mit Fichte aufgeforsteten Wäldern nur mehr 10 Tonnen pro Hektar. Von der lebenswichtigen, fein zersetzten organischen Substanz bleibt also kaum etwas übrig.

Branko Hug

Branko Hug

ORF/KIM CUPAL

"Es muss einfach mehr mit Handarbeit - Manpower - gearbeitet werden. Ohne Manpower gibt's keine Nachhaltigkeit. Alles andere ist Utopie"

Einen Zukunftsbaum, der die Fichte ersetzen wird können, gibt es nicht. Stattdessen wird man in Österreich nun auf eine natürlichere Baumartenmischung, neue Pflegemaßnahmen und vor allem Artenvielfalt setzen müssen, um den Wald auch für die Zukunft erhalten zu können. Außerdem kehren beinahe in Vergessenheit geratene Bewirtschaftungsmethoden zurück. Eine davon ist die des Holzenrückens mit Pferden.

„Es muss einfach mehr mit Handarbeit - Manpower - gearbeitet werde. Weil ohne Manpower gibt's keine Nachhaltigkeit. Alles andere ist Utopie, ist eine Show“, erklärt Branko Hug. Er ist ein aus der Schweiz stammender, so genannter Pferderücker. Mit Hilfe seiner beiden 700 Kilo schweren Ardennerhengste Ben und Arpat schafft er gefällte Bäume aus dem Wald.

Die Pferde reagieren während der Arbeit ausschließlich auf seine Kommandos und sind dadurch äußerst wendig und flexibel. Selbst in unwegsamem Gelände können sie – anders als die 25 Tonnen schweren Forstmaschinen - gut arbeiten und benötigen weniger Rückegassen. Dadurch werden andere Bäume und auch der Waldboden um vieles weniger belastet und somit nachhaltig geschützt. Mehr und mehr Nationalparks, öffentliche Forstbetriebe wie auch einige private Waldbesitzer kehren zurück zur ursprünglichen und sanfteren Art der Holzentnahme. Zwar oft in Kombination mit so manch einer Maschine, aber immerhin.

Der Wald ist im Umbruch. Und selbst wenn es nicht unbedingt wie eine Erfolgsgeschichte klingt, ist sie zumindest hoffnungsvoll.

Gestaltung: Kim Cupal