Himmel über Kansas

AP/ORLIN WAGNER

Benedict Wells

"Hard Land" - Roman eines magischen Sommers

Als 2016 Benedict Wells Roman "Vom Ende der Einsamkeit" erschien, nannte ihn Literaturkritiker Denis Scheck den "besten John-Irving-Roman, der nicht von John Irving stammt" - das Buch entwickelte sich zum Bestseller. Jetzt erscheint Benedict Wells neuer Roman "Hard Land", der in einer Kleinstadt im Mittleren Westen der USA im Sommer 1985 spielt, und damit mitten in der Präsidentschaft von Ronald Reagan.

Sam ist 15, wird seit seiner Kindheit von Angststörungen geplagt, und dass seine Mutter an Krebs erkrankt ist, verpasst dem notorischen Einzelgänger noch einen zusätzlichen Dämpfer.

Auf den Spuren des Kinos

Doch dann bricht der Sommer 1985 an, und ein Job in einem alten Kino bringt Sam nicht nur auf andere Ideen, sondern auch neue Freunde: Kirstie, die undurchschaubare Tochter des Kinobetreibers, Hightower, den Football-Star des örtlichen College und Cameron, einen Freigeist, der sich mit seinem reichen und konservativen Elternhaus abplagen muss.

"Vor allem die erste Hälfte des Buches ist eine Hommage an 80er-Jahre-Filme wie ‚The Breakfast Club‘ von John Hughes, der auch das Drehbuch zu "Some kind of wonderful" geschrieben hat. Das Schöne an diesen Filmen war, dass sie so auf Augenhöhe waren mit den Jugendlichen", sagt Benedict Wells, Jahrgang 1984.

Benedict Wells im Gespräch über die Entdeckung des Schauplatzes während einer Amerikareise, das Besondere der 80er Jahre, und wie er sich beim Schreiben durch ganz bestimmte Songs in die damalige Zeit versetzen ließ.

Ein Twainsches Augenzwinkern

Die 80er-Jahre, weil eben nur als Kind erlebt, seien ihm immer Sehnsuchtsort gewesen, so Wells weiter, genauso wie diese imaginierte Kleinstadt Grady am Ufer des Missouri. Einen magischen Sommer wollte er deshalb beschreiben, ohne aber dessen Schattenseiten auszuklammern.

Benedict Wells: "Die 1980er Jahre waren natürlich auch ein sehr schwieriges Jahrzehnt, politisch mit dem Kalten Krieg, aber auch mit anderen Ängsten. Das politische Geschehen sollte deshalb auch mitlaufen, zentral war mir aber das Aufwachsen zu zeigen, mit einem Twainschen Augenzwinkern einerseits, andererseits aber auch, so aufrichtig wie möglich, den Umgang meines Protagonisten mit Schmerz und Verlust."

Euphancholie

"In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb", heißt es gleich im ersten Satz und der gibt dem ganzen Roman "Hard Land" seinen besonderen Tonfall vor. Getragen ist er von dem emotionalen Chaos, in das die Pubertät die Jugendlichen stürzt. Die wilde Kirstie findet sogar einen Begriff dafür: "Euphancholie", zusammengesetzt aus Euphorie und Melancholie.

"Mir fiel selbst in der Jugend auf, wie schnell und völlig grundlos Emotionen plötzlich umschlagen konnten, bis sie sich gar nicht mehr abzuwechseln, sondern eins zu werden schienen."

Buchcover

DIOGENES VERLAG

Lyrische Begleitung

"Hard Land", mit "hard" wie "hart oder heftig" und nicht mit "heart" wie "Herz", heißt übrigens ein Gedicht, das dem Roman seinen Namen gibt. Das stammt von einem gewissen William Morris, der sich beim Schreiben frech bei Walt Whitman und Mark Twain bedient hat, das aber nichtsdestotrotz den großen Stolz von Grady darstellt. In ihm werden, verklausuliert, die Wege und Irrwege verhandelt, die durch die Jugend führen.

"Ich hatte lange Zeit den Titel und hab dann überlegt: Eigentlich müsste es in dem kleinen Kaff ein Gedicht geben, das den gleichen Titel trägt wie mein Roman. Und je tiefer ich in die Geschichte vorgedrungen bin, desto klarer war, dass ich dieses Gedicht auch noch schreiben muss, damit ich dieses Erwachsenwerden immer wieder auch lyrisch gebleiten kann."

Sommerfrische

Ein Buch nur für junge Leser? Auf keinen Fall. Warum? Weil Benedict Wells in "Hard Land" ein derart genaues Stimmungsbild vom Erwachsenwerden liefert, dass sich jeder darin wiederfinden kann. Und weil man sich sonst als Leser um einen ziemlich zauberhaften Sommer bringen würde.

Service

Benedict Wells, "Hard Land", Roman, Diogenes

Gestaltung

  • Wolfgang Popp

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