Eine Betonmauer

AFP/OLIVIER LABAN-MATTEI

Dimensionen

Betonwandel - ein Baustoff sucht Nachfolger

Der Mensch baut derzeit so viel mit Beton wie nie zuvor. Obwohl der Rohstoff Sand bereits knapp wird. Laut Weltklimarat gehen drei Milliarden Tonnen CO2 jährlich allein auf die Produktion von Zement zurück. Die Welt müsste weg vom Beton, aber das Gegenteil ist der Fall.

Das Rezept für den erfolgreichsten Baustoff der Menschheit ist uralt. Schon die Griechen und Römer verwendeten Beton, allerdings in anderer Form. Zu ihren Zutaten gehörte neben Sand, Kies und Wasser ein Mörtel aus gebranntem Kalkstein, Ziegelmehl und Vulkanasche.

Antike Betonteile brauchten entsprechend Wochen, um hart zu werden. Erst der moderne Zement, der 1845 erfunden wurde, brachte den Beton zu seiner heutigen Bedeutung. 330 Milliarden Tonnen davon produziert die Menschheit jährlich. Das entspricht einer 30 Zentimeter dicken Mauer, die einmal den Äquator umspannen und die dabei über tausend Meter hoch sein müsste - und das jedes Jahr. Knapp zehn Prozent allen Kohlendioxids, das der Mensch ausstößt, stammt aus der Betonproduktion. Das ist fast dreimal so viel wie der Flugverkehr.

Die Welt ist so süchtig nach Beton wie nie zuvor. Dabei gibt es Visionäre, die das Problem erkannt haben und die das Bauen mit Beton derzeit neu erfinden wollen. Sie suchen Baustoffe, die das Klima schonen - und eine Behörde, die solchen Baustoffen eine Chance gibt.

„Beton ist nicht gut, aber das am wenigsten schlechte Baumaterial, das wir haben."

Zwar gelten Holz oder Lehm zu Recht als nachhaltige Alternativen, die auch in westlichen Staaten wieder häufiger genutzt werden. Das Problem bleibt die schiere Menge des Betons, die es klimafreundlich zu ersetzen gilt. Würde man nur ein Viertel der jährlich verbauten Betonmenge weltweit durch Holz ersetzen, müsste man eineinhalb Mal die Fläche Indiens aufforsten und gleich wieder abholzen.

Beton ist für die Zementchemikerin Karen Scrivener von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne deshalb „zwar nicht gut, aber das am wenigsten schlechte Baumaterial, das wir haben“.

Recyclingbeton - gute Idee, aber kaum Hilfe für das Klima

Es gibt einige Ideen, den Beton klimafreundlicher zu machen. Alten Beton zu recyceln erscheint naheliegend: Schon nach dem Zweiten Weltkrieg nutzten Bauarbeiter klein gehauene Schuttziegel aus zerbombten Häusern, um damit den angerührten Beton zu verstärken. Heute hergestellter Recyclingbeton ist mittlerweile auch genormt und damit ein standfestes Baumaterial.

Schon seit 2005 müssen beispielsweise alle Gebäude im Kanton Zürich in der Schweiz mit Recycling-Beton gebaut werden. Das ist umweltfreundlich, denn die recycelten Betonsplitter ersetzen in der Mischung den Kies und teilweise auch den Sand, die nun nicht mehr in Kiesgruben abgebaut werden müssen. Nur dem Klima hilft es kaum. Denn das meiste Kohlendioxid aus der Betonherstellung entstammt dem Zement. Und der lässt sich gar nicht recyceln.

Kalzinierte Tone, statt kohlenstoffhaltigem Kalkstein

Seit vielen Jahren tüftelt Karen Scrivener mit ihren Kolleg/innen daran, auch die immensen CO2-Emissionen von Tausenden Zementwerken weltweit zu verringern. Das Problem ist nicht allein die Energie, die für den Betrieb der Anlagen nötig ist. Selbst wenn alle Zementwerke mit Ökostrom liefen, wäre da noch die Chemie.

Zement wird hauptsächlich aus Kalkstein hergestellt, der bei 1450 Grad Celsius chemisch in sogenannten Zementklinker umgewandelt wird. In diesem Schritt entsteht der Löwenanteil des CO2-. Scrivener möchte deshalb einen großen Teil des kohlenstoffhaltigen Kalksteins durch kalzinierte Tone ersetzen. Dieser Rohstoff ist global verfügbar und gibt beim Brennen ein Drittel weniger Kohlendioxid ab als gewöhnlicher Zement. Das Verfahren erreicht derzeit seine Marktreife und könnte, weltweit eingesetzt, die CO2--Emissionen der Menschheit um mehrere Prozent senken.

Art des Bauens muss grundlegend verändert werden

Der enorme Betonhunger der Welt wird aber vermutlich weiter steigen – und der Fußabdruck der Betonherstellung wohl nicht schnell genug schrumpfen. Es wird kein Weg daran vorbeiführen, auch unsere Art des Bauens grundlegend zu verändern. Der Beton ließe sich sparsamer ausgießen oder mit Luftblasen befüllen. Doch ein solcher Wechsel der Bautätigkeit birgt auch ein Risiko: Gebäude müssen auf viele Jahrzehnte stabil bleiben und sollten nicht am Ende ihre Bewohner/innen unter sich begraben.

Gestaltung: Karl Urban