Louise Erdrich

AP/DAWN VILLELLA

Roman

Im Kampf gegen das Verschwinden

Louise Erdrich gilt als die literarische Stimme der Indigenen in den USA. Ihr Großvater war Stammesratsvorsitzender der Chippewa - Nation und kämpfte in den 1950er Jahren gegen die Terminationspolitik der Regierung. Ihm hat Erdrich nun ihren neuen Roman „Der Nachtwächter“ gewidmet. Das Buch wurde dieses Jahr mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.

Mit christlichem Namen heißt er Thomas, sein Chippewa-Namen Wazhashk bedeutet „Bisamratte“. Das ist nicht unerheblich, denn nach dem Mythos der Chippewa schuf nach der Sintflut eine Bisamratte die Erde neu.

Bauboom und Vertreibung

Ähnliche Kraftanstrengungen braucht es auch von Thomas, um sich gegen die Auflösung des Reservates zur Wehr zu setzen. Die Regierung plante Mitte der 50er-Jahre nämlich von langer Hand die Vertreibung der indigenen Stämme von ihrem Land. „Diese Resolution, bekannt als Termination Bill“, so Louise Erdrich, „war das Ergebnis des Baubooms nach dem Krieg. Die fünf Stämme, deren Auflösung man plante, hatten in ihren Reservaten nämlich ausgedehnte Wälder, und damit Holz, das zum Hausbau gebraucht wurde, und dementsprechend begehrt war.“

Verlogene Integrationspolitik

Besagte Resolution war im August 1953 vom Kongress verabschiedet worden. Was die Regierung damals als Integrationspolitik verkaufte, bedeutete in der Praxis die Auflösung sämtlicher indianischer Nationen. Die Turtle Mountain Chippewa gehörten zu den ersten fünf Stämmen, bei denen die Resolution exekutiert werden sollte, und sie waren dank Erdrichs Großvater auch die ersten, die erfolgreich Widerstand leisteten.

„Mein Großvater war Nachtwächter, er war der Stammesratsvorsitzende und er kämpfte gegen die Auflösung“, erzählt Louise Erdrich. „Vieles in meinem Roman stammt aus den Briefen, die er 1954 geschrieben hat und die ich geerbt habe, weil das mein Geburtsjahr war.“

Buchumschlag

AUFBAU VERLAG

Profi in Sachen Vertreibung

113 indianische Nationen betraf diese Resolution. Nur 78 dieser Stämme konnten später ihren offiziell anerkannten Status auf Bundesebene wiedergewinnen, 31 verloren jeglichen Landbesitz, 24 von ihnen gelten heute als ausgestorben.

Louise Erdrich: „Der Mann, der für die Angelegenheiten der Indigenen zuständig war, hieß Dillon S. Myer. Er war auch derjenige, der im Zweiten Weltkrieg die Inhaftierung der in den U.S.A. lebenden Japaner in Lagern organisierte. Das war seine Vorgeschichte. Er wusste also wie derlei Dinge geregelt gehörten, denn er hatte Übung darin.“

Bunter Figurenteppich

Politisch engagierte Romane können schnell die Farben ausgehen, weil der Einsatz für die richtige Sache oft zu Schwarz-Weiß-Malerei zwingt. Nicht so bei Louise Erdrich. Hintergrund ist zwar das Jahr der Resolution, nur rollte Erdrich dort ihren bunten Erzählteppich aus. Und der ist voller lebensechter Figuren, die wichtigste von ihnen, neben Thomas, eine junge Frau namens Pixie.

Sich reibende Sprachen

Nicht nur ihr Auftauchen war eine Überraschung, Pixie sorgt auch für Überraschungen und gehörige Spannung. Sie hat sich nämlich in den Kopf gesetzt, ihre verschwundene Schwester zu finden. So laufen in „Der Nachtwächter“ die Handlungsstränge zwischen dem Privaten und dem Politischen hin und her.

Beeindruckend ist darüber hinaus, wie Louise Erdrich die einschnürende Sprache der U.S.-Regierung auf die emphatische Sprache der Chippewa treffen lässt. Und es ist nicht das geringste Verdienst der Übersetzerin Gesine Schröder, dass sie die Reibung dieser beiden Sprachen und Weltanschauungen ganz wunderbar ins Deutsche hinübergerettet hat.

Gestaltung

  • Wolfgang Popp

Übersicht