Ausstellungsansicht, viennacontemporary 2021

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2.-5. September 2021

Viennacontemporary: More than a fair?

Im vergangenen Jahr trotzte die Viennacontemporary als eine der wenigen internationalen Kunstmessen der Corona-Krise. In diesem Jahr kehrt sie zurück: in völlig neuem Gewand. Die neue Messeleitung machte aus der Not eine Tugend und spricht von einer Messe, die die Stadt als künstlerischen Raum erobern will.

Kunst am Bau, soll der britische Stararchitekt Norman Foster gesagt haben, sei wie Lippenstift auf einem Gorilla. Kurz: Überflüssig. Im Roten Wien, das seine Wohnbauten traditionell mit Kunstwerken schmückte, stößt Fosters Verdikt wohl auf wenig Gegenliebe. Kunst auf der Baustelle dient demgegenüber meist nicht der Teilhabe der Vielen, sondern dem Profit der Wenigen. Kurz: In den Metropolen dieser Welt wurde die künstlerische Zwischennutzung leerstehender Gebäude zum Motor der Gentrifizierung.

Wo bald Luxusimmobilien bezogen werden sollen, auf der Baustelle der Alten Post im ersten Bezirk, findet in diesem Jahr die Viennacontemporary statt. Einst war sie der Platzhirsch unter Wiens Kunstmessen. In diesem Jahr ist sie deutlich geschrumpft. 60 internationale Galerien nahmen im Corona-Jahr 2020 an der Vienna Contemporary teil. In diesem Jahr sind es gerade einmal 25. Die Messeleitung spricht von einem Aufbruch und einer Rückbesinnung.

Boris Ondreička

Boris Ondreička

KRISTINA KULAKOVA

Kunst auf der Baustelle

"Wir haben einen Standort gesucht, der die Messe aus der Peripherie in die Stadt bringt. Wir verstehen den gesamten Stadtraum als Labor und möchten diesen urbanen Raum als künstlerischen Raum betrachten. Die Neue Alte Post ist ein idealer Ort für uns. Wir befinden uns hier mitten auf einer Baustelle: ja! Weswegen heuer auch weniger Galerien vertreten sind", so der slowakische Kurator und Künstler Boris Ondreička, der erst im August als neuer künstlerischer Leiter der Viennacontemporary vorgestellt worden ist. Mit Ondreička hat sich die Geschäftsführung einen gut vernetzten Experten ins Boot geholt, der die Kunstszene Zentral- und Südosteuropas kennt und Dank seiner Tätigkeit als Kurator der Thyssen-Bornemisza Art Contemporary auch in Wien kein Unbekannter ist. Gerade der Schwerpunkt auf Galerien aus dem zentral- und südosteuropäischen Raum ist das große Alleinstellungsmerkmal der Vienna Contemporary. Dieses will Ondreička in Zukunft stärken und weiter ausbauen.

"Wir haben die Pandemie zum Anlass genommen, zu hinterfragen, was eine Messe im Jahre 2021 leisten muss und kann. Unter anderem planen wir Satelliten-Events in osteuropäischen Städten. Wir möchten in der gesamten Region Zentral- und Osteuropas präsent sein", sagt Boris Ondreička. Tatsächlich konnten in diesem Jahr vor allem Galerien aus Zentral- und Osteuropa von der Teilnahme bei der Vienna Contemporary überzeugt werden. In der kuratierten Zone 1 findet man immerhin einige bekannte Galerien der heimischen Szene. Margit Valko von der Budapester Galerie Kisterem glaubt an das Potential des neuen Messeformat: "Ich stelle fast seit dem Beginn der Viennacontemporary hier aus und glaube an die Zukunft dieser Messe. Auch wenn die Teilnahme in diesem Jahr eine Herausforderung war."

Dan Vogt

Dan Vogt

SHORE GALLERY

Eine Messe mit dem Charme eines Off-Space

In Zeiten, in denen die politischen Bruchlinien zwischen Ost- und West nicht zuletzt auf europäischer Ebene immer sichtbarer werden, wird der seit Jahren ausgebaute Ost- und Südosteuropa- Schwerpunkt der Viennacontemporary zur großen Chance, die das Potential birgt im mitunter gesichtslosen internationalen Messekarussell zu punkten. Seit Juni hat die Traditionsmesse mit der neu gegründeten Spark Art Fair allerdings eine ernstzunehmende Konkurrentin.

"More than a fair", so lautet das Schlagwort, mit dem Boris Ondreička angetreten ist. Dass das internationale Messegeschehen im Windschatten der Pandemie neu gedacht werden muss, glauben viele Beobachterinnen der Szene. Ob der Standort Wien tatsächlich zwei Kunstmessen verträgt, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

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