Fabiola Noll

VERENA BERNHARDT

Gedanken von Fabiola Noll

eine welt, in der ich träumen kann

„Wo siehst du dich in 20 Jahren?“ – Eine Frage, über die ich ungern genauer nachdenke. „In einem Haus mit einem Mann und einem Kind“, scheint momentan die plausibelste Antwort zu sein, auch wenn ich mir nur wenig darunter vorstellen kann.

Vor einem Jahr hätte ich über diese Antwort geschmunzelt und sie als einfallslos abgestempelt. Doch seit Beginn der Pandemie gibt mir die Perspektive einer Familie ein wenig Sicherheit. Denn ich werde das Gefühl nicht los, dass Corona erst der Anfang ist und wir gerade dabei sind, von einer Krise in die nächste zu stolpern.

Wenn ich nun tatsächlich über meine Zukunft nachdenke, sehe ich mich nicht in einer glücklichen Familie, sondern mitten in einem Netz von Problemen, die ich nicht einmal richtig verstehe. Vielleicht ist das sogar gut so. Je mehr ich nämlich über Gesundheits-, Wirtschafts- und Klimakrisen lerne, desto ängstlicher werde ich. Oft weiß ich nicht, wie ich mit dieser Angst leben soll. Es wäre viel schöner, jegliche Weltprobleme auszublenden und das individuelle Glück in den Fokus zu stellen. Was spricht dagegen, sich einfach ins Weltall zu katapultieren – ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer Menschen? Wir leben im Westen, da ist doch alles möglich ...

Trotz allem Zynismus scheiden sich die Geister bei der Beantwortung dieser Frage. Menschen, die wie Amazon- Gründer Jeff Bezos denken, faszinieren mich in einer Weise. Denn ich werde wohl nie verstehen, wie man es mit seinem Gewissen vereinbaren kann, Milliarden von Dollar während einer Gesundheits- und Klimakrise in den Start einer Rakete zu pumpen.

Doch egal, wie scharf ich dieses Vorgehen kritisiere, ich bin deshalb kein besserer Mensch. Am liebsten würde ich unbeschwert durch die Welt reisen, ohne an meinen ökologischen Fußabdruck zu denken. Seit ein paar Jahren habe ich beim Reisen das schlechte Gewissen im Gepäck. Ich weiß, dass ich anfangen sollte, Teil der Veränderung zu werden. Oft weiß ich aber nicht, wie. Die Welt ist so verdammt groß, und meistens fühle ich mich wie eine Ameise in einem riesigen Haufen: Allein bewirke ich wenig, egal, wie engagiert ich zu sein glaube. Und doch muss jede/r mithelfen, damit unser Ameisenhaufen nicht zusammenfällt.

So absurd es auch klingt, meine Zukunftsängste helfen mir, meine Hoffnung nicht zu verlieren. Sie zeigen mir, was wichtig ist und wofür es sich zu kämpfen lohnt. Liebe und Erfüllung sind das, wonach ich in diesem ganzen Chaos strebe. Doch dafür brauche ich mehr als ein Haus, einen Mann und ein Kind. Ich will eine Welt, in der ich wieder träumen kann.

Text: Fabiola Noll, freie Journalistin bei Ö1 und Mitglied der "Follow me"-Redaktion

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