HANNAH HORSTEN
Kolumne von Hannah Horsten
sterne schnuppern
"Uff, ganz schwierige Kombination!" Meine Freundin Sofia blickte mich argwöhnisch an, während sie ihr Weinglas zwischen den Händen kreisen ließ, so als hätte ich gerade gesagt, dass das vegane Salamibrot auf ihrem Teller hervorragend mit einem Klecks Nutella schmecken würde.
28. September 2021, 11:47
"Sonnenzeichen Widder und Aszendent Löwe klingt total unausgeglichen!"
Ihre Lippen, lila gefärbt vom Rotwein, zogen sich spitz zusammen. "Das erklärt einiges", nickte ich ihr zu und frage mich, ob die Psychotherapie, die ich in Anspruch zu nehmen überlegte, vielleicht doch sinnfrei sei, da ich durch das Datum meiner Geburt für immer und ewig eine innere Überforderung haben werde. Widder und Löwe eben. Aber ich verwarf den Gedanken sofort wieder. Ich bin durch und durch Agnostikerin. Egal, ob es hierbei um eine Gottesfigur oder um Sonnen und Mondzeichen geht. Doch während ich kaum eine Person in meinem Alter kenne, die noch einen religiösen Glauben praktiziert, ist in den vergangenen Jahren auf Social Media das Thema Astrologie groß geworden. Ganze Meme-Seiten widmen sich bestimmten Zeichen und deren Gewohnheiten. "Typisch Capricorn" posten sie mit schallendem Gelächter, das in Form von drei Tränen lachenden Emojis verdeutlicht wird.
An welche nicht widerlegbare Theorie glaubst Du?
Menschen, die den Hype um Sternzeichen nicht durch Social Media kennen, sondern lediglich von den hinteren Seiten in Klatsch-und-Tratsch-Magazinen, reagieren gern mit Verachtung auf Personen wie Sofia. Sie hat sogar eine App, die jeden Tag ein Horoskop auf ihr Smartphone liefert. Die App ist clean und ästhetisch gehalten, keinerlei schlechtes Grafikdesign, wie man es sonst vom Marketing spiritueller Konsumgüter kennt. Sofia meint, es gebe ihr Halt und Orientierung. Eine Generation, die mit digitalen Utensilien aufgewachsen ist, widmet sich also, online wohlgemerkt, zunehmend Spiritualität und astrologischen Lehren aus uralten Kulturkreisen. Das Despektieren des Glaubens an Astrologie verstehe ich jedoch genauso wenig wie den Einfluss der Sterne selbst. Weshalb wird es mehr akzeptiert, wenn Personen in Österreich Halt im christlichen Glauben finden, als in etwas Abstraktem wie Sternzeichen? Bloß, weil eine dieser beiden nicht widerlegbaren Theorien kulturell gesehen einen größeren institutionellen Einfluss hat? Vermutlich muss man sich, um das herauszufinden, mehr mit der Bibel auseinandersetzen. Eventuell steht die Antwort irgendwo zwischen der sprechenden Schlange und der schwangeren Jungfrau.
Text: Hannah Horsten, freie Journalistin bei Ö1 und Mitglied der "Follow me"-Redaktion.