Alfred Dorfer am Wiener Naschmarkt

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Hörbilder

Doktor der Satire

Hommage an den vielseitigen Humoristen Alfred Dorfer

"Humorlosigkeit ist Dummheit", sagt Alfred Dorfer. Das Multitalent aus Wien zählt zu den wichtigsten Satirikern im deutschen Sprachraum. Mit seinen Kabarettauftritten begeistert er Kritiker/innen und das Publikum. Sein Humor ist hintersinnig und geistreich, basiert auf intellektueller Analyse und philosophischer Betrachtung und ist gespickt mit bitterbösem Witz:

"Demokratie ist unmöglich, sie setzt 30 Prozent mündige Bürger voraus", Alfred Dorfer

Der Satiriker Dorfer benützt die Sprache als Waffe, doch er stellt sein Publikum nicht bloß, sondern lässt ihm Raum zum Reflektieren.

Alfred Dorfer ist Jahrgang 1961, er wächst in einfachen Verhältnissen in einem Wiener Gemeindebau auf. Die Eltern sind geschieden, seinen Vater sieht der kleine Fredi selten, am ehesten, wenn er die Unterschrift für das Zeugnis braucht. Alfred Dorfer ("Ich bin ein Frauenkind") ist umgeben von weiblichen Verwandten. Bezugspersonen sind die Mutter, die Schwester, Tanten und die Großmutter.

Ernst Weber und Alfred Dorfer

Ernst Weber und Alfred Dorfer bei den Aufnahmen für das Hörbild am Wiener Naschmarkt

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Zwischen Kerzelschluckern und Proleten

Man liest die "Arbeiter-Zeitung" und fördert die musische Erziehung des Buben: Im Kindergarten spielt Dorfer Theater, er geht zum Ballettunterricht, spielt Klavier, die Schwester nimmt ihn mit zu Konzerten und in die Volksoper. Politisch sozialisiert wird er im Spannungsfeld zwischen SPÖ und ÖVP: "Ich bin großkoalitionär aufgewachsen, zwischen ÖVP-Kerzelschluckern und SPÖ-Proleten ...

… Bei Familienfesten trafen die beiden Reichshälften aufeinander."

Trotz finanzieller Engpässe lässt ihn die alleinerziehende Mutter keinen Mangel spüren. Später wird Dorfer ein Stipendium für alleinerziehende Studentinnen einrichten. Ein Studium der Theaterwissenschaften bricht Dorfer ab, er will Schauspieler werden. Weil er beim Max Reinhardt Seminar durchfällt, nimmt er privaten Unterricht bei Herwig Seeböck.

"Muttertag" und Verfassungsklage

Dort lernt er u. a. Andrea Händler und Roland Düringer kennen, mit anderen Jungschauspieler/innen gründen sie die Kabarettgruppe Schlabarett. Großen Erfolg feiert er mit dem Stück "Indien", das er gemeinsam mit Josef Hader schreibt und das später zum Kultfilm wird. Neben der Produktion weiterer erfolgreicher Filme - etwa "Muttertag" - tourt Dorfer mit Solokabaretts durchs Land. Er wirkt in der Sitcom "MA 2412" mit, leitet die Late-Night-Show "Donnerstalk", er schreibt politische Kommentare für die renommierte Wochenzeitung "Die Zeit".

Nach 25 Jahren Pause schließt er sein Studium ab und schreibt eine Doktorarbeit über die Satire in restriktiven Systemen. Die Coronapandemie behindert den Künstler in seinem Schaffen: Seine Premiere als Regisseur der Mozart-Oper "Le nozze di Figaro" findet in einem Theatersaal ohne Publikum statt. Gänzlich pausieren muss er mit seinem aktuellen Kabarettprogramm "und …". Dorfer reicht mit anderen Künstler/innen, die nicht auftreten dürfen, eine Verfassungsklage ein, und er beklagt seine künstlerische Perspektive: "Da kann ich ja gleich Gemüse verkaufen."

Alfred Dorfer vor einem mit Graffiti besprühten Marktstand am Wiener Naschmarkt

In der Gegend um den Wiener Naschmarkt ist Dorfer zu Hause.

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Gemüseverkäufer

Und er verkauft Gemüse: Am Naschmarkt hilft Dorfer bei einem befreundeten Gemüsehändler aus, lange Zeit unerkannt, wie er betont: "Ich bin ein älterer Herr mit Maske und Pudlhaubn, der die Fisoln einsacklt. Und dann sagt: ›Macht drei vierzig‹." Dorfer sortiert Orangen und Zucchini, verkauft Paradeiser und Kraut, und er berät seine Kunden gewissenhaft.

"Der ganz der Flotte ist er nicht, aber ich krieg schönes Obst", sagt die Kabarettistin Andrea Händler. In der Gegend um den Wiener Naschmarkt ist Dorfer zu Hause. Dort bezieht er nach der Matura seine erste Wohnung und bleibt. Privat ist der Satiriker zurückhaltend. Er trifft sich gern mit Freund/innen im Café, er liebt Gesellschaft, "aber nicht allzu lange", meint Händler: "Wenn er gehen will, springt er auf und ist weg."

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