Ein Stuhl steht auf einem Friedhof zwischen Grabsteinen

APA/GEORG HOCHMUTH

Lebenskunst

Von Krankheit, Tod und Neubeginn

Wir stehen auf dem Friedhof. Der Himmel ist blau. Es ist ein sonniger, aber kalter Tag. Ich habe Seifenblasen verteilt. Kinderspielzeug eigentlich - aber jetzt stehen zwölf Erwachsene da, rund um das Grab, und lassen bunt schillernde Blasen in den Himmel steigen.

Manche zerplatzen schnell. Andere steigen immer höher und höher hinauf. Man kann sich mit ein bisschen Fantasie vorstellen, dass sie irgendwann einmal in einer Art Unendlichkeit ankommen werden. Und genau das ist eigentlich ihr Zweck: Sie sollen Grüße hinauftragen, in die ätherischen Sphären, die uns irdischen Wesen nicht zugänglich sind.

So haben wir den ersten Allerheiligentag nach Rudis Tod begangen, eine Abordnung des Gesangsvereins - in dem er Mitglied war und ich immer noch bin - und ich.

Unsicherheiten, Erfolgserlebnisse, Hiobsbotschaften

Im März zuvor war Rudi an Krebs gestorben, mit 65 Jahren. Zuvor 18 albtraumhafte Monate. Schnell war klar: Der Tumor war sehr aggressiv und hatte mehrfach gestreut. Also: verschiedene Therapien, Unsicherheiten, Erfolgserlebnisse, Hiobsbotschaften, Ängste, Hoffnungslosigkeit, ruhige Phasen des Verschnaufens, dann wieder eine Krise - das volle Programm. Ich, als engste Angehörige, war live dabei. Natürlich ging es nicht um mein Leben. Das war ja nicht bedroht. Oder?

Es stimmt schon, das Damoklesschwert des eigenen Sterbens ist nicht über mir geschwebt. Aber auch mein Leben, so wie ich es fast 25 Jahre lang gekannt hatte, war dabei, zu Ende zu gehen. Stück für Stück musste ich meinen Partner loslassen. Kein Tennis mehr, keine gemeinsamen Reisen, keine unbefangenen Berührungen, weil die verschiedensten Körperstellen plötzlich Schmerz dabei empfanden.

In diesem Trauerprozess war ich mit unterschiedlichen organisatorischen Anforderungen konfrontiert. Es galt, meinen Alltag so zu gestalten, dass ich Rudi möglichst oft zu Arztbesuchen begleiten konnte. Es gab gemeinsame Termine bei der Krebshilfe, Besuche des Hospizteams, ich besorgte Medikamente und orthopädische Hilfsmittel für ihn. Und so weiter…

Die Sonne hat sich ihren Weg wieder gebahnt

Heute blicke ich auf all das zurück - persönlich-privat und in Form eines Buches. Auch wenn es schmerzhafte Lektionen waren: Ich habe in dieser Zeit sehr viel gelernt. Wie wichtig es ist, sich rechtzeitig Hilfe zu holen. Dass es auch in Zeiten des Bedrücktseins möglich ist, gut zu sich selbst zu sein, die eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen - und sogar Momente der Leichtigkeit zu erleben.

Ich habe gelernt, wie hilfreich es ist, vorausschauend vorzugehen, Dinge rechtzeitig zu planen. Und ich habe mich geradezu dazu gezwungen, mir eines immer wieder vor Augen zu halten: Auch in Momenten der Verzweiflung und der Dunkelheit ist immer alles da: das Heitere, das Fröhliche, die Zuversicht. Mir ist dieser Bereich des Lebens vielleicht derzeit verschlossen. Aber es gibt ihn trotzdem. Er ist nicht verloren.

So hat mein Buch den Titel Hinter den Wolken ist es hell bekommen. Und das Leben war gut zu mir: Tatsächlich hat sich die Sonne wieder ihren Weg gebahnt.

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