Birgit Birnbacher

APA/MIRIAM LAZNIA

Tonspuren

Schreibwerkstatt der Birgit Birnbacher

Ein Mehrfamilienhaus in Salzburg. Die Luft ist erfüllt vom Summen der Insekten und dem Duft der Blumen, die hier die Balkone schmücken.

Auf das Klingeln an der Gegensprechanlage folgt das Summen des Türöffners: "Zweiter Stock", sagt eine Stimme aus dem Lautsprecher. Oben steht die Schriftstellerin in der offenen Tür zu einer hellen, modern eingerichteten Wohnung mit Holzböden und weißen Wänden.

Hervorstechend sind die Bücherregale: Jeweils nur ein Regalbrett zieht sich knapp unter der Zimmerdecke hoch oben an den Wänden durch den langen Gang und rund um die Wohnküche. Wer hier ein Buch sucht, braucht eine Leiter. Gleichzeitig bleibt an den Wänden Platz für Fotos und Bilder.

Leben im Takt

Birgit Birnbacher ist eine junge Frau mit strahlenden Augen und offenem Lachen, freundlich und zugewandt, bescheiden und geerdet, frei von Allüren eines "Jungstars" der österreichischen Literatur, eines großen Talents und einer Gewinnerin - unter anderem des renommierten Bachmannpreises.

Die Autorin ist in ihrer aktuellen Lebensphase in der Geborgenheit einer Familie angekommen und erlebt gleichzeitig das Dilemma der kreativen Frau und Mutter. Sobald sie allein ist, schreibt sie. Wenn sich irgendwo eine Lücke auftut, schreibt sie. Zeit zum "Herunterkommen und in den Text kippen" bleibt ihr nicht. Birnbachers Leben ist durchgetaktet und auf Effizienz ausgelegt. Und doch arbeitet sie intensiv an ihren Texten, schreibt manches ein zweites und drittes Mal und wirkt dennoch entspannt.

Texte, die nachwirken

Liest man ihre Essays, Kurzgeschichten und Romane, ist ab der ersten Zeile klar: Hier schreibt ein Mensch mit Lebens- und Leidenserfahrung, ein Mensch, der viel von der Welt gesehen hat, ein Mensch mit Empathie, sozialem Engagement und Hinwendung zu jenen, die wenig Glück im Leben haben.

Bemerkenswert ist das Einfühlungsvermögen der Autorin, wenn sie aus der Perspektive ihrer meist jugendlichen Protagonistinnen und Protagonisten erzählt: Detailliert und anschaulich ist hier dennoch kein Wort zu viel. Im Lesen entdeckt man, wie nahe diese Literatur geht und wie respektvoll die Autorin die Würde ihrer Figuren bewahrt. Es sind Texte, die nachwirken. Oft liest man sie ein zweites und drittes Mal und bemerkt Details, die erst durch das Vorwissen über den Inhalt erkennbar sind.

Bachmannpreis für "Der Schrank"

Derzeit liegen von Birgit Birnbacher zwei Romane vor. Für die Vorbereitung des Literaturfeatures in den "Tonspuren" schickte sie außerdem zwei unveröffentlichte Texte und die Kurzgeschichte "Der Schrank", mit der sie den Bachmannpreis gewann. Der Text beschreibt eine überschaubare Welt, in der die Sicherheit und Regelmäßigkeit des Außen auf die Fragilität und Unsicherheit des Innen stoßen. Anhand einer Metapher wird die Verletzlichkeit unserer Halt gebenden Routinen beschrieben.

Aufschlussreich auch der Text "Der Zoo", in dem Birnbacher ihren Zugang zur Welt und ihren Werdegang beschreibt. Am Anfang stand eine chronisch kranke Schülerin, die kurz vor der Matura die Schule abbrach, eine Optikerinnenlehre machte und nach erfolgreichem Abschluss nach Äthiopien ging, wo sie in einem Waisenhaus arbeitete, und endlich Sinn erfuhr. Zurück in Österreich machte sie die Ausbildung zur Sozialarbeiterin, holte die Matura nach und studierte Soziologie. Daneben entstanden erste Texte - zunächst ohne den Anspruch, ganze Romane zu schreiben, bis das Schreiben schließlich zur Hauptsache in ihrem Leben wurde, mit empathisch-analytischem Blick auf den "Zoo", in dem wir uns bewegen.

Service

Bachmannpreis '19 - Birgit Birnbacher