500-Euro-Geldscheine

APA/BARBARA GINDL

Fragwürdige Vorgänge bei Russmedia

Eine Recherche in Russ-Land

In Vorarlberg halten ÖVP und Russmedia Anteile an einer Kommunikationsfirma, die Inserate für Wirtschaftskammer-Zeitungen verkauft. Nicht die einzige fragwürdige Konstruktion, denn beide beschäftigen auch dasselbe Meinungsforschungsinstitut. Zahlreiche Anfragen von #doublecheck dazu verlaufen seit Wochen im Sand. Das Ergebnis einer bizarren Recherche.

Die Geschichte spielt – wie in der November-Ausgabe von #doublecheck berichtet - im Dunstkreis von ÖVP und Russmedia, das große Medienunternehmen im Ländle, deren Flaggschiff die "Vorarlberger Nachrichten" sind. Der Direktor des ÖVP-Wirtschaftsbundes, Jürgen Kessler, hält knapp 50 Prozent einer Kommunikationsberatungsfirma namens Media Team, an der auch die Russmedia Verlags GesmbH mit 40 Prozent beteiligt ist. Zehn Prozent hält der Geschäftsführer der Media Team, Markus Steurer. Die Firma wickelt das Anzeigengeschäft ab für eine Reihe von Zeitschriften der Wirtschaftskammer Vorarlberg, aber auch der Landeslandwirtschaftskammer und der Vorarlberger Jägerschaft. Ein lukratives Geschäft: Der Bilanzgewinn der Media Team betrug 2020 stolze 164.560 Euro.

Jürgen Kessler

ORF VORARLBERG

Vorarlberger Wirtschaftsbund-Direktor Jürgen Kessler

ÖVP-Mann und Russmedia verdienen an Inseraten mit

Sprich: Der Wirtschaftsbund-Direktor verdient an jedem Inserat, das in Zeitschriften der Wirtschaftskammer Vorarlberg erscheint, mit – und das sind viele Inserate. In der Bilanz der Wirtschaftskammer für 2020 sind Erlöse aus Inseraten von knapp 532.000 Euro verbucht, das war eine Steigerung um 7,5 Prozent gegenüber dem Jahr davor. An diesem Kuchen nascht aber eben nicht nur der ÖVP-Mann Kessler mit, sondern auch Russmedia – hinter der die Privatstiftung der Familie Russ steht, also des mächtigen regionalen Medienmonopolisten. Politisch und medienethisch eine sehr problematische Konstruktion. #doublecheck wollte nachfragen, wie es dazu gekommen ist und was die Idee dahinter war, ist aber auf eine Mauer des Schweigens gestoßen.

Anfragen, Vertröstungen und keine Antworten

Jürgen Kessler selbst verweist auf Markus Steurer, Mitteilhaber an der Media Team und auch deren Geschäftsführer: "Verzeihen Sie bitte, dass ich mich nicht gemeldet habe. Fragen zur Mediateam richten Sie bitte an die Geschäftsführung." Die Replik von #doublecheck: "Mich interessiert in erster Linie, wie Sie erklären, dass Sie als WB-Geschäftsführer vom Anzeigen-Geschäft der Wirtschaftskammer-Blätter profitieren. Und warum Sie die MT Anteile gemeinsam mit der Russmedia Verlags GesmbH halten. Das wird mir der Herr Steurer nicht sagen können." Seither keine Reaktion mehr von Kessler.

Telefonische Nachfragen bei Steurers Firma, der zwar vermutlich wenig bis nichts über die politischen Hintergründe der Eigentumsverhältnisse sagen können und wollen wird, sind ohnehin im Sand verlaufen. Steurer war jedes Mal auf Außendienst, Auskunft über Steurers Handynummer wollte man keine geben, der versprochene Rückruf ist nie gekommen. Auch Kontaktversuche bei Kesslers Chef, dem Obmann des ÖVP-Wirtschaftsbundes Hans-Peter Metzler, der als Chef der mit Abstand stärksten Fraktion auch Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg ist, waren erfolglos. Über sein Büro in der Kammer wurde der Rückruf zugesichert, aber er kam nicht.

Auch Landeshauptmann Wallner auf Tauchstation

Metzlers Handy-Nummer, die leicht herauszufinden war, war auf das Handy seiner Assistentin umgeleitet. Sie versprach, sich um einen raschen Rückruf zu kümmern. Aber auch der erfolgte - trotz dringenden Nachfragens - nicht. Das Hotel von Metzler im Bregenzer Wald ist gerade in Herbstpause. Zu den Telefonzeiten am Vormittag war er auch dort nicht zu erreichen. Deshalb hat #doublecheck auch beim Obmann der Vorarlberger Volkspartei, deren Teilorganisation der Wirtschaftsbund ja ist, nämlich bei Landeshauptmann Markus Wallner nachgefragt. Zweimal, bis die abschlägige Antwort des Pressesprechers kam: "Bitte um Verzeihung, dass dies aktuell nicht das wichtigste aller Themen für uns ist. Unabhängig davon wird es dazu aber keine Stellungnahme von LH Wallner geben."

Russmedia, Gebäude Schwarzach

Russmedia, Gebäude Schwarzach

RUSSMEDIA

"Grundsätzlich kein Statement" von Russmedia

Nicht anders ist es beim 40-Prozent-Teilhaber an der Media Team, der Russmedia, gelaufen. Der Geschäftsführer der Russmedia Verlags GesmbH, Markus Raith, ließ per Mail knapp wissen: "Vielen Dank für ihre Anfrage. Zu strategischen Überlegungen über Beteiligungen geben wir grundsätzlich kein Statement ab." Dann also Anfrage bei Eugen Russ persönlich.

Per Mail wollte #doublecheck von Russ wissen: "Warum ist die Russmedia Verlags GesmbH zu 40 Prozent an der Media Team beteiligt, an der der ÖVP-Wirtschaftsbund-Direktor Jürgen Kessler knapp 50 Prozent hält und über die das Anzeigengeschäft für Zeitschriften der Wirtschaftskammer Vorarlberg, der Landeslandwirtschaftskammer und der Vorarlberger Jägerschaft abgewickelt wird? Vor Kessler hat dessen Anteile an der Media Team sein Vorgänger als WB-Direktor gehalten. Wie ist diese enge, für den jeweiligen Wirtschaftsbund-Direktor sehr lukrative Zusammenarbeit seitens Russmedia erklärbar? Halten Sie es für angebracht, angesichts der von Ihnen immer wieder kritisierten Vergabe von öffentlichen Inseraten "nach Gutsherrenart" solche parteipolitischen Verflechtungen in Zusammenhang mit Anzeigengeschäften in Ihrem Medienhaus zu haben und die Hintergründe auf Anfrage totzuschweigen?"

Eugen Russ

APA/GEORG HOCHMUTH

Eugen Russ

Eugen Russ "wurde nicht gesehen" und schweigt

Russ antwortete nicht auf das Mail. Das Büro verwies an die Pressesprecherin von Russmedia Media. Diese bat um Weiterleitung des Mails, sie werde Herrn Russ darauf ansprechen. Das Mail wurde weitergeleitet, sie hat es bekommen, passiert ist nichts. Auf Nachfrage betonte die Pressesprecherin, sie habe Herrn Russ jetzt "einige Tage nicht gesehen", werde ihn aber demnächst treffen und mit ihm darüber sprechen. Aber Herr Russ wisse, um was es gehe. Nur #doublecheck weiß immer noch nicht, warum ein unabhängiges Medienhaus gemeinsam mit einem ÖVP-Mann – der lange Jahre Sprecher des früheren Landeshauptmanns Herbert Sausgruber war und nebenbei auch noch Vorsitzender der Landesstelle der Österreichischen Gesundheitskasse ÖGK ist – unbedingt an Inseratenschaltungen in Kammerzeitungen verdienen will.

Meinungsforscher arbeitet für ÖVP wie für VN

Im Zuge der Recherchen kommt ein weiterer Paarlauf von ÖVP und Russmedia, nämlich beim heiklen Thema Meinungsumfragen, ans Licht. Die Vorarlberger Volkspartei arbeitet mit dem "Institut Dr. Berndt" zusammen, wie den Rechenschaftsberichten der vergangenen Jahre zu entnehmen ist. Und auch Russmedia arbeitet mit dem Institut zusammen, was an den immer wieder in den "Vorarlberger Nachrichten" publizierten Umfragen des Instituts Dr. Berndt zu sehen ist. Firmengründer Edwin Berndt sagt auf Anfrage zu dieser doch ungewöhnlichen Nähe: "Das funktioniert seit 50 Jahren mit der VN und der ÖVP, und alle Beteiligten sind zufrieden."

Doppelgleisigkeiten "nur bei der Sonntagsfrage"

Ob Berndt ausschließen könne, dass Aufträge von Zeitung und Partei ineinanderfließen? "Die ÖVP erkundigt sich schon immer wieder, ob für die VN was ansteht. Und dann sprechen wir das ab, Doppelgleisigkeiten gibt es keine. Nur halt bei der Sonntagsfrage." Und Berndt weiter: "Wenn ich nur für die ÖVP arbeiten würde, dann könnte ich nicht davon leben, Vorarlberg ist ja so klein." Hat er in den vielen Jahren nie ethische Bedenken gehabt, für die mächtigste politische Partei im Land und gleichzeitig für das monopolistische Medienhaus zu arbeiten – weil das unvereinbar sein könnte? "Ich verstehe, was Sie meinen. Aber diese Frage stellt sich ja nicht mehr lange, ich bin bald 80 und werde das nicht mehr so lange machen", sagt Edwin Berndt, der die Geschäftsführung schon vor Jahren an seinen Sohn Manfred übergeben hat, aber immer noch in der Firma mitmischt.

Grüne orten verdeckte Parteienfinanzierung

Russmedia und ÖVP dazu zu befragen, ist nicht möglich, weil ja keiner zurückruft. Nur die Grünen in der Vorarlberger Wirtschaftskammer haben auf den #doublecheck-Bericht reagiert. Sie sprechen von verdeckter Parteienfinanzierung für den ÖVP-Wirtschaftsbund. Und zwar über die gemeinsame Firma von Jürgen Kessler und Russmedia sowie über öffentliche Inserate in der von Kessler verantworteten Wirtschaftsbund-Zeitung "Vorarlberger Wirtschaft".

Viele Inserate knapp unter der Bagatell-Grenze

Bei dieser Zeitung fallen die enormen Inseraten-Umfänge auf: Von 88 Seiten in der Oktober-Ausgabe waren rund 40 mit meist ganzseitigen Inseraten bedruckt. Gibt es hier einen Zusammenhang mit Parteispenden? Immerhin gelten auch Inserate laut Parteiengesetz als Spenden, allerdings erst ab einem Wert von 3500 Euro. Laut Parteiengesetz hat jede Partei "Einnahmen aus Inseraten, soweit diese Einnahmen im Einzelfall den Betrag von 3500 Euro übersteigen, unter Angabe des Namens und der Adresse des Inserenten auszuweisen" - und zwar in einer Anlage zum jährlichen Rechenschaftsbericht. Ein ganzseitiges Inserat in der "Vorarlberger Wirtschaft" kostet laut Website des Wirtschaftsbunds 3000 Euro, das bleibt also schön unter der Grenze im Parteiengesetz.

Leises Rumoren in der Russmedia

Ein Setting, in dem sich Russmedia offenbar immer unwohler fühlt. Dem Vernehmen nach überlegt das Medienhaus jetzt, aus der gemeinsamen Firma mit Wirtschaftsbund-Mann Kessler auszusteigen. Eine diesbezügliche Anfrage an den zuständigen Russmedia-Manager Markus Raith samt Nachfrage an die Russmedia-Pressesprecherin ist von Raith am Donnerstag so beantwortet worden: "Vielen Dank für Ihre Email. Ich darf auf mein Email von 3. November verweisen." Am Ende also doch noch eine Antwort. Freilich eine Antwort, die keine ist.

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