Peter Thiel

Peter Thiel - AP/ALEX BRANDON

Matrix

Peter Thiel - Der neue Chef von Sebastian Kurz

Peter Thiel ist nicht der reichste Tech-Mogul im Silicon Valley, aber wahrscheinlich der einflussreichste. Er hat Unternehmen gegründet oder finanziert, die unsere Kultur und Wirtschaft in den letzten 25 Jahren geprägt haben.

Sein erstes Unternehmen, PayPal, war der Wegbereiter für den elektronischen Handel. Sein drittes Unternehmen, Palantir, ebnete den Weg für den Überwachungskapitalismus. Kontroversiell zu denken und zu handeln begleitet den Peter Thiel-Mythos genauso die nicht vorhandene Scheu vor Grauzonen und die Fähigkeit, aus dem Schatten heraus zu agieren.

Vergangenes Jahr erschien die unautorisierte Biografie „The Contrarian“ von Max Chafkin, der den Werdegang Thiels nachzeichnet, Mythen hinterfragt und Einblicke in die Weltsicht des polarisierenden Milliardärs gibt.

Wie man ein Medium „Peter Thielt“

Spärlich aber doch gibt Thiel Einblicke in seinen persönlichen Werdegang; zumeist tut er das im Rahmen seiner Vorträge, bei denen ausgewählte Anekdoten seines Werdegangs vom Unternehmensanwalt zum Dotcom-Erfolg die Leitfäden für ein erfolgreiches Start-up garnieren. Wegbegleiter, Geschäftspartner und Freunde, die in Thiels unautorisierter Biografie zu Wort kommen, wollen hingegen anonym bleiben. Mit der Zerstörung des Tratsch-Blogs für die New Yorker Medienszene, "Gawker", zeigte der Milliardär eindrucksvoll, wie weit er bereit ist zu gehen, wenn ihn jemand reizt.

Am 19. Dezember 2007 zog sich das Medium den Zorn des Milliardärs zu, als der Tech-Blog "Valleywag" von Gawker einen Beitrag mit der Überschrift "Peter Thiel ist total schwul, Leute" veröffentlichte. Chafkin: "Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich zwar im privaten Kreis bereits geoutet, aber nicht öffentlich. Und so sah Thiel den Blogeintrag, wie übrigens viele andere Menschen auch, als Eingriff in seine Privatsphäre und die Überschreitung einer ethischen Grenze. Thiel hat aber keinen wütenden Brief geschrieben, öffentlich Kritik geübt oder geklagt. Stattdessen fand er eine andere Klage gegen das Medium, die der Wrestler Terry Bollea, auch bekannt als "Hulk Hogan" eingebracht hatte und die hat er dann finanziert. Das hat letztlich zur Zerstörung eines damals ziemlich bedeutenden Medienunternehmens geführt. Das Urteil belief sich auf rund 140 Millionen Dollar Schadenersatz und Gawker ging in Konkurs. Der Eigentümer ging in Konkurs. Das hatte eine abschreckende Wirkung. Egal ob man über in schreiben will, angestellt - oder ein Freund ist, im Hinterkopf bleibt hängen, dass er, wenn er wirklich wütend wird, zu allem bereit ist."

Das Ereignis verlieh der Silicon-Valley-Tendenz Aufwind, Journalistinnen und Journalisten als Feinde wahrzunehmen, vor denen man sich abschottet. Mit der Vernichtung des Klatsch-Blogs vergrößerte Thiel die Kluft und wurde zum Namensgeber der Phrase (ein Medium) "zu Peter Thielen". Chafkin: "Es gibt vor allem unter Milliardären eine Menge Leute, die die Zerstörung von Gawker als etwas heldenhaftes ansehen, das Respekt verdient. Was, wie ich finde, beunruhigender ist, als der Gawker-Fall selbst."

Immer wieder bekommt der Journalist Max Chafkin selbst die Frage gestellt, ob er mit der Veröffentlichung einer unautorisierten Biografie, nun seinerseits Angst habe. Ein wenig, natürlich, allerdings, "nicht unbedingt mehr Angst, als vor jedem anderen Milliardär. Denn das eigentlich Beunruhigende am "Gawker"-Fall ist, dass jeder dieses Modell übernehmen kann. Thiel hat eine Blaupause und hat eine Genehmigungsstruktur geschaffen, die der Pressefreiheit wirklich schadet."

Der Weg zum Milliardär

Einer der Ausgangspunkte für das spätere Wirken ist Thiels Zeit in Stanford in den 1980er Jahren, die das Selbstbild und das spätere Netzwerk formt. Karrieregetrieben erscheinen dem Philosophiestudenten Partys oder soziale Zusammenkünfte unnütz. Er übt sich stattdessen in der Rolle, die sein Markenzeichen werden würde: des Widersachers, des Andersdenkenden, der das Konträre zum Bestehenden sucht.

Im Selbstbild des Rebellen besucht er regelmäßig das Fitnesscenter, wo er über Plato referiert, während er Gewichte stemmt. Getreu dem Motto "nur tote Fische schwimmen mit dem Strom" etabliert und pflegt Thiel Gegensätze. Und repräsentiert, - als Sohn von deutschen Einwanderern, der es mit Talent und harter Arbeit zum Erfolg gebracht hat, für viele auch den Prototypen des "american dream". Chafkin: "Die einen halten ihn für einen furchteinflößenden Bösewicht, die anderen sehen in ihm einen Helden. Eine Art Ayn-Rand-Superman, der sowohl ein erstaunlicher Intellektueller als auch ein Baumeister ist, der bereit ist, sich gegen einen Trend zu stellen. Eine Art Gatsby-Charakter".

Vom Rechtspraktikanten zum Hedgefond-Gründer

Mark Zuckerberg, der CEO von Facebook ist gerade mal drei Jahre alt, als sein späterer Mentor, im Jahr 1987, die konservative Studentenzeitschrift "Stanford Review" startet und erste Kontakte zu späteren Wegbegleitern knüpft. Nach seinem Studienabschluss in Philosophie und Jura folgen Jobs bei einem republikanischem Richter, sowie einer Kanzlei, die auf Gesellschaftsrecht spezialisiert ist. Orte wo, "alle die draußen sind, rein wollen, während alle, die drinnen sind, raus wollen", wie Thiel es später formulieren wird. Der wohl größte Dämpfer ist die Ablehnung seiner Bewerbung am obersten Gerichtshof in Washington. Ohne erstrebenswertem Ziel vor Augen kehrt er der eintönigen Arbeit nach sieben Monate und drei Tagen den Rücken und versucht sich stattdessen im Derivatehandel. Seinen ersten Hedge-Fond nennt er "Thiel Capital". Ein Großteil des Kapitals stammt von Freunden und Familie.

Zwei Jahre später, 1998, gründet er mit einigen anderen das Unternehmen "Confinity", das Zahlungen zwischen den seinerzeit gefragten "Palm Pilots" abwickeln soll. Ein Jahr später entsteht aus der Fusion mit Elon Musks Unternehmen "X.com" die Gründung von "PayPal" mit Peter Thiel als CEO. Nach drei Jahren kauft eBay das Unternehmen für 1,5 Milliarden Dollar und macht Thiel zum Multimillionär. Er gründet den Hedge-Fonds "Clarium Capital", gefolgt von der Risikokapitalfirma "Founders Fund" im Jahr 2005.

Thiel sei aber mehr als ein Risikokapitalgeber, betont Chafkin: "Er ist ein Hedge-Fonds-Typ, der mit Aktien, Anteilen, Vermögenswerten, - aber oft auch mit Ideen handelt. Und immer wieder kann man beobachten, dass er sozusagen auf beiden Seiten einer Investition steht. Er kauft die eine Sache, von der er behauptet, dass sie großartig sei. Und dann sichert er sich mit einem, um 180 Grad konträren Investment ab."

Egal wer Unternehmen wie Airbnb, Lyft, SpaceX, oder Facebook repräsentiert, in ihnen steckt auch Peter Thiel, der die Startups in ihrer Frühphase finanziert hat. Und es scheint kaum eine Branche zu geben, wo sein Name nicht auftaucht. 2015 steigt er ins Gras-Geschäft ein und investiert in das Marihuana-Unternehmen Privateer Holdings. Auch den Tod sieht er als „ein Problem, das gelöst werden kann“, wie er 2012 im Tech- und Finanzmedium „Business Insider“ zitiert wird. Die Finanzierung von entsprechenden Startups, wie etwa „Unity Biotechnology“ versteht sich quasi von selbst.

Sein derzeit größtes Interesse liegt allerdings, so Chafkin, bei digitalen Geldtechnologien. Der lukrative Handel mit Kryptowährungen ist wie geschaffen für den ehemaligen Devisenhändler. Als Frühinvestor hat er 2011 auch „Stripe“, ein Unternehmen für Online-Zahlungen mit zwei Millionen US-Dollar finanziert, das mittlerweile 100 Milliarden wert ist.

Der Schattenpate

Auf der Suche nach neuen Ideen, Investitionen und Betätigungsfeldern wirkt der Stratege zumeist über seine Netzwerke. Diese wurzeln in Stanford und münden in der sogenannten "Paypal Mafia"; Zur Gruppe ehemaliger Mitarbeiter und Mitgründer des Unternehmens Paypal zählen einige der einflussreichsten Menschen des Silicon Valley. Wie etwa Jawed Karim, der Mitbegründer von Youtube, Jeremy Stoppelman der CEO von Yelp, Reid Hoffman der Mitbegründer von LinkedIn oder auch Elon Musk - um nur einige zu nennen. Es ist eine lange Liste von politisch gleichgesinnten - mit einigen Ausnahmen, wie Chafkin betont: "Elon Musk etwa, der wirklich etwas gegen den Klimawandel machen will, hat tiefgreifende politische Meinungsverschiedenheiten mit Thiel, der den Klimawandel mehr oder weniger leugnet. Der Großteil der Gruppe ist allerdings sehr konservativ, und es gibt geschäftliche Werte, die mit diesen politischen Werten einhergehen. Etwa, dass Technologie die Welt retten wird, und dass wir den Tech-Unternehmen und ihren Milliardären die Freiheit geben müssen, zu tun, was sie wollen. Und dass es in Ordnung ist, wenn sie Regeln brechen, oder ethische Grenzen überschreiten. Weil sie die Welt ja zu einem besseren Ort machen."

Im Kreis der „Thieliever“

Im Verständnis, dass Wirtschaft und Politik vollständig miteinander verbunden sind, investiert der Stratege im Jahr 2016 in scheinbar neues Terrain und spendet 1,25 Millionen Dollar, um den späteren Präsidenten Donald Trump bereits in einer frühen Phase zu unterstützen. Unterm Strich eine Risikoinvestition wie er sie schon tausend Mal davor getätigt hatte. Chafkin: "Ginge die Rechnung auf und Trump wäre Präsident, würde das Thiels Stimme, quasi als Früh-Investor, Gewicht verleihen. Eine historische Chance. Wenn nicht, dann wäre das auch nicht weiter peinlich. Thiel ist ein Gegenspekulant. Und die gehen viele Wetten ein, die nicht immer aufgehen."

Im Fall des US-Präsidenten geht die Rechnung auf. Thiels Investition hat sich gelohnt. Aufgenommen in Trumps Beraterkreis kann er seine Welt- und Wirtschaftsvision propagieren und Aufträge für seine Unternehmen generieren - und schafft es sein Vermögen auf mittlerweile über neun Milliarden US-Dollar zu vermehren. 2021, sechs Jahre, nachdem die ehemalige SPÖ-Politikerin Laura Rudas bei Thiels Unternehmen Palantir angeheuert hat, folgt mit dem ehemaligen Bundeskanzler, Sebastian Kurz, ein weiterer prominenter österreichischer Neuzugang für Thiels Firma "Thiel Capital". Ein Unternehmen das man, so Chafkin, als eine Art Familienbetrieb verstehen kann, der das Geld des Milliardärs verwaltet.

Die Organisation beschäftigt auch eine Reihe von Leuten für politische Beratung. Chafkin: "Ich denke, dass Kurz' Perspektive und seine Verbindungen für ihn dabei durchaus von Nutzen sein werden. Es geht also eher um einen indirekten Einfluss, weil er Kontakte hat und versteht, wie Entscheidungen auf den höchsten Regierungsebenen getroffen werden."

Seinen neuen Job dürfe man, so Chafkin, auch als Ausdruck von Thiels Bewunderung für Kurz verstehen "dem es gelungen ist, eine Art Brücke zwischen der harten Rechten und dem Mainstream zu schlagen. Etwas, was zu 100 Prozent auch Peter Thiel beschreibt." Vor allem zeige sich darüber ein verstärktes Interesse Thiels, seinen Einfluss außerhalb der USA zu vergrößern. Chafkin: "Thiel weiß, wie wichtig Netzwerke sind. Die Nähe zu diesem ehemaligen Staatschef, dieser jungen interessanten Person, die die europäische Politik versteht, verleiht Thiel bei den populistischen Nationalisten, die er so gerne unterstützt, zusätzliche Glaubwürdigkeit."

Bleibt die Frage, was Peter Thiel, der Mensch hinter dem Konzept, eigentlich will? Ist er ein Renaissancefürst, der seine Welterklärung über Gesellschaften stülpen will? Ist der Prototyp des Silicon Valley einer jener Multimillionäre, die als vermeintlich neue Vision ihr Imperium neben dem Staat errichten, dirigieren und lenken wollen? Max Chafkin, der Thiel journalistisch seit 15 Jahren begleitet sieht die Ambitionen des Tech-Moguls auf seiner Suche nach Monopolen nüchtern: "Ich fürchte, das ist für seine Fans etwas enttäuschend, aber ich denke, sein Hauptziel ist schlicht Geld. Er ist jemand, der Geld als wichtiges Merkmal für Erfolg und auch als Bestätigung ansieht. Natürlich ist er auch ideologisch und will, dass diese Ideen weiterverbreitet werden. Unterm Strich will er aber einfach nur Geld und Macht, wie wahrscheinlich die meisten."

Gestaltung: Sarah Kriesche

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Business Insider

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