Janaceks Gartenhäuschen, wo er die letzten zwei Jahrzehnte seines Lebens verbrachte und Großteil seiner Meisterwerke schrieb; heute kleine Gedenkstätte

ORF/BRIGITTE VOYKOWITSCH

Ö1 Reiseatlas

Brünn (Tschechien)

Von der Gotik bis zur Moderne, von der Architektur bis zur Musik. Zu Besuch in der mährischen Hauptstadt.

Brünn (Tschechien)

Brünn, mit rund 380.000 Einwohnern heute die zweitgrößte Stadt von Tschechien, blickt auf eine reiche Geschichte zurück. Es war im 13. Jahrhundert Königsstadt, später Hauptstadt von Mähren und auch der Ort, wo Napoleon seinen 40. Geburtstag feiern ließ. Über Jahrhunderte war die Stadt als Teil des Habsburgerreiches eng mit Wien verbunden. Die geografische Distanz ist gering, per Bahn erreicht man Brünn von Wien aus in knapp eineinhalb Stunden, somit deutlich schneller als den Westen von Österreich.

Brünn lockt mit seinem vielfältigen architektonischen Erbe, das von der Gotik bis zur Moderne reicht. Bemerkenswert sind in Brünn dabei die Bauten, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Stil des Funktionalismus errichtet wurden. Die Funktion bestimmt die Form, lautete damals ein Grundprinzip, neue Vorstellungen von Ästhetik und Raumgestaltung prägten die Bauten. Weltberühmt ist die Villa Tugendhat, errichtet von Mies van der Rohe, einem der damals bekanntesten europäischen Architekten. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs war 1918 die Tschechoslowakei als neuer Staat auf der Landkarte erschienen, und dieser Staat wollte sich in vielen Bereichen als Vorreiter der Moderne positionieren.

Die Industrie spielte eine wichtige Rolle, zu den führenden Unternehmern zählten jüdische Familien wie die Löw-Beer und Tugendhat. Den historischen Hintergrund zum Aufstieg dieser Familien nach der Gleichstellung der Juden im späten 19. Jahrhundert zeigt eine Ausstellung in der Villa Löw-Beer, die durch einen weitläufigen Garten mit der Villa Tugendhat verbunden ist. Beide Gebäude sowie einige weitere Villen wurden erst in jüngster Zeit generalsaniert und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Aufstieg des Nationalsozialismus und der deutsche Griff auf die Tschechoslowakei führte zu einem abrupten Ende.

Einem Teil der Industriellen-Familien gelang die Flucht, viele wurden im Holocaust ermordet. Erst in den letzten Jahren wird diese Vergangenheit auch in Brünn langsam aufgearbeitet. Unter dem nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten kommunistischen Regime war das nicht möglich gewesen, danach zögerte man lange. Die Villen und andere historische Gebäude wurden in der kommunistischen Ära zumeist zweckentfremdet genutzt, bleiben so aber immerhin erhalten. In den 1920er Jahren, als noch weitgehender Optimismus vorherrschte, blühte auch das Musikleben in Brünn.

Der Komponist Leos Janacek, der seit 1881 in der Stadt lebte, verfasste damals seine bedeutendsten Opern und andere Meisterwerke. Nach ihm ist das 1965 eröffnete Janacek-Theater benannt, in dem vor allem Opern- und Ballett-Aufführungen stattfinden. Der einstige Wohnsitz des Komponisten ist als Gedenkstätte erhalten, mit eigenen kleinen Informationsbroschüren kann man sich in der Stadt auf die Spuren von Leos Janacek machen.

Ö1 Ambiente Sendung vom 6. März 2022
Gestaltung: Brigitte Voykowitsch, Redaktion: Ursula Burkert

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Villa Tugendhat
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Meeting Brno Festival
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