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Biografie
Max Perutz und das 'atmende Molekül'
Der 1914 geborene Chemiker Max Perutz lebte ein Wissenschaftlerleben zwischen Exzentrik und Nobelpreis. Aus einer Wiener jüdischen Familie stammend, gewann er 1962 den Nobelpreis und wurde im selben Jahr zum Leiter eines der erfolgreichsten Chemie-Laboratorien der Geschichte ernannt. Jetzt erscheint seine Biografie in deutscher Übersetzung, der Titel: "Max Perutz und das Geheimnis des Lebens".
25. Juli 2022, 02:00
Ohne Hämoglobin gäbe es keine komplexen Organismen, denn es sorgt für die Sauerstoffversorgung des Körpers. Max Perutz, der in Wien Chemie studiert hatte und 1936, mit Anfang zwanzig, nach Cambridge ging, interessierte sich schon früh für den hochkomplexen Bauplan dieses Proteins. Die "Hämoglobin nimmt Sauerstoff auf und gibt ihn an anderer Stelle des Körpers wieder ab", erklärt Max-Perutz-Biografin Georgina Ferry: "Perutz zeigte, wie es dabei seine Struktur verändert und fand dafür den schönen Begriff des 'atmenden Moleküls'."
Unter Nobelpreisträgern
Dafür wurde ihm 1962 zusammen mit John Kendrew der Nobelpreis für Chemie verliehen. Noch im selben Jahr wurde in Cambridge das Laboratorium für Molekularbiologie (LMB) gegründet und Perutz zu seinem Leiter bestimmt. Rasch entwickelte sich das LMB zu einem der erfolgreichsten Institutionen der Wissenschaftsgeschichte, denn, wie es im Buch so schön heißt, konnte man dort kein Stöckchen den Gang hinunterwerfen, ohne einen Nobelpreisträger zu treffen. Der ruhende Pol des Geschehens: Max Perutz.
"Viele Nobelpreisträger sind den Rest ihres Lebens um die Welt gereist und haben sich feiern lassen", sagt Georgina Ferry. "Perutz hielt zwar auch zahlreiche Vorträge, ging aber bis zu seinem Tod jeden Tag ins Labor. Verwaltungsaufgaben hielt er auf einem Minimum und seine Korrespondenz versuchte er bis 11 Uhr fertig zu haben, damit er sich den Rest des Tages seinen Forschungen widmen konnte."
BRAUMÜLLER VERLAG
"Und wie exzentrisch er war!"
Das hört sich nach einem nüchternen und beharrlichen Laborarbeiter ohne Extravaganzen an, doch Biografin Georgina Ferry winkt ab: "Und wie exzentrisch er war! Er hatte sein Leben lang Probleme mit seiner Verdauung und schickte deshalb, wohin er auch eingeladen wurde, eine Liste in fünf verschiedenen Sprachen voraus, auf der alle Nahrungsmittel standen, die er essen durfte und genauso die, die er unter allen Umständen vermeiden musste."
Alfred Goubran hat die Max-Perutz-Biografie ins Deutsche übersetzt, das englische Original erschien bereits 2007 und damit fünf Jahre nach dem Tod von Perutz. Biografin Georgina Ferry hat den Chemiker noch wenige Tage vor dessen Tod getroffen.
Begeisterter Alpinist & nüchterner Forscher
"Ich besuchte ihn im Krankenhaus, wo er wegen seiner Krebserkrankung eine Bluttransfusion bekam. Er zeigte mir Briefe, die er geschrieben hatte, darunter auch einen an die Queen. Er verwendete seine letzten Tage mit einer beeindruckenden inneren Ruhe darauf, sich zu verabschieden und auf ein Leben zurückzublicken, das er wirklich ausgeschöpft hatte."
Ein begeisterter Alpinist, der sich im flachsten Teil Englands ansiedelte, und ein nüchterner Forscher, der als Hypochonder Todesängste vor dem Genuss unreifer Bananen hatte. Georgina Ferry legt mit der Biografie "Max Perutz und das Geheimnis des Lebens" eine gut lesbare Wissenschaftsgeschichte vor, wunderbar garniert mit Pointen und Anekdoten. Ein Buch wie Hämoglobin, das den Kopf mit Sauerstoff versorgt.
Service
Georgina Ferry, "Max Perutz und das Geheimnis des Lebens", aus dem Englischen von Alfred Goubran, Braumüller Verlag
Gestaltung
- Wolfgang Popp