LENA PREHAL
Ö1 Talentebörse
Adina Camhy, Critical Studies - Shortlist 2022
Ich arbeite in einem Dazwischen: zwischen Disziplinen, Ausdrucksformen und Medien. Ich gehe von präzisen Beobachtungen des Bestehenden aus und widme mich Themen wie Räume der Erinnerung, Geschichte und dem Politischen im Öffentlichen und Privaten. Ich forsche, dekonstruiere und remixe, wobei ein wesentlicher Teil meiner Praxis der Austausch mit anderen ist – in Kollaborationen, Konstellationen und Kollektiven.
30. Juni 2023, 01:00
Ö1 Talentebörse | 31 08 2022
Geboren: 1987 in Graz
Aktuelles Studium: Master in Critical Studies, Ruth Sonderegger, Andreas Spiegl / Kunstpraxis in der Klasse Video- und Videoinstallationen, Dorit Margreiter, Akademie der bildenden Künste Wien
Mein größter Erfolg: Arbeiten zu machen, mit denen ich auch selbst zufrieden bin. Das ist meistens das Schwierigste
Was ist Kunst?
Vielleicht kann ich mich der Definition von Kunst annähern, indem ich überlege, was Kunst alles kann: Ich denke Kunst hat die Eigenschaft, etwas – meist unabhängig von
einer anderen Zweckmäßigkeit – zu erproben und auszudrücken. Kunst hat die Fähigkeit innerhalb der Gesellschaft neue und unerwartete Handlungsräume und Blickwinkel aufzuzeigen – und so Kritik an bestehenden Verhältnissen zu üben. Kunst kann etablierte Denkweisen hinterfragen und muss nicht in vorgegebene Rahmen passen oder sich an bestimmte Reglements halten.
Kunst kann ausschließend sein, wenn bestimmtes Wissen, Codes oder Eintrittsgelder vorausgesetzt werden, sie kann aber auch anregen und einladen sich mit etwas auseinanderzusetzen. Der soziale und verbindende Aspekt von Kunst ist denke ich besonders wichtig: gemeinsames Zuhören bei Konzerten, Publikumsreaktionen im Kino, Austausch bei Ausstellungseröffnungen etc.
Wie sind Sie zur Kunst gekommen?
Die Frage hat sich mir in der Art nie gestellt. Seit ich mich erinnern kann folge ich den Themen, die mich interessieren und eigne mir verschiedene Ausdruckformen an, die dazu passen: Film, Sound, Performances, Zines, Installationen, Texte etc. Dass es am einfachsten ist, das was ich mache als Kunst zu bezeichnen, wurde mir erst bewusst, als mich eine Person bei einer Veranstaltung fragte, was ich so mache. Nach meinen Ausführungen zu meinen Projekten, meinte sie: „Also bist du Künstlerin?“
Über die Jahre hat sich aus dieser Vielgestaltigkeit eine künstlerische Methode entwickelt: Jeder Ort, jeder Kontext und jedes Thema erfordert eine andere Herangehensweise und einen anderen Ausdruck. Mein erster Blick ist dabei meist ein forschender: ich schaue, was bereits da ist und in welchen Kontext ich meine Arbeit einbette.
Vielleicht hat dieser Zugang auch mit meinem Verständnis von Architektur zu tun, denn vor meinem Studium an der Akademie studierte ich Architektur an der TU Graz und der UPV València. Ich verstehe Architektur als zwischen den Disziplinen vermittelnd – mit Blick auf soziale, symbolische und gebaute Räume, gesellschaftlichen Kontext, Gestaltung und Technik.
Kommt Kunst von können, müssen oder wollen?
Kunst kommt vor allem auch von „können“ im Sinne von „die Möglichkeit/den Zugang dazu haben“: soziale und ökonomische Herkunft spielen dabei eine große Rolle. Bildung wird in Österreich noch immer vererbt – und gerade an Kunstuniversitäten ist der Anteil der Studierenden, deren Eltern selbst studiert haben, besonders hoch. Wer in einer Eigentumswohnung lebt, kann dem Kunstschaffen mehr Zeit widmen als eine Person, die viele Stunden Lohnarbeit verrichten muss, um die Miete zu bezahlen. Wer die nötigen Kontakte hat und mit Codes vertraut ist, kann schneller Netzwerke aufbauen. Und wer mit Kunstschaffenden im Umfeld aufwächst, wird sich der Möglichkeit dieser Tätigkeit überhaupt erst bewusst.
Momentan wird dieses Thema verstärkt diskutiert: Kunstunis geben Studien in Auftrag und arbeiten daran, die Aufnahme inklusiver zu gestalten. Dennoch sind soziale Ungleichheit und die damit einhergehenden strukturellen Hürden ein gesamtgesellschaftliches Problem, das nicht ausschließlich innerhalb der Institutionen gelöst werden kann.
Wo würden Sie am liebsten ausstellen?
Da, wo es Austausch, Diskurs und Vernetzung gibt. Da, wo es auch außerhalb der Kunstbubble gesehen und wahrgenommen wird. Und: In Schwimmbädern, in Garagen, am Stadtrand.
Mit wem würden Sie gerne zusammenarbeiten?
Ich bin dankbar bis jetzt mit so vielen tollen und inspirierenden Menschen zusammengearbeitet zu haben und freue mich das auch weiterhin in bestehenden und neuen Konstellationen zu tun.
Das Kollaborative und Kollektive in meiner Arbeit ist mir sehr wichtig. In Zusammenarbeit und Austausch können Ideen und Konzepte entstehen, auf die eine Person alleine nie gekommen wäre. Es geht dabei auch darum, die eigene Position immer wieder in Relation zu setzen, zu hinterfragen und Kompromisse einzugehen, aus vielleicht bequemen Mustern und der Komfortzone auszubrechen und einander zu fordern.
Wie viel Markt verträgt die Kunst?
Die Kunst braucht den kapitalistischen Markt nicht. Die Kunst wird darin zu einem Kapitalanlageobjekt, einem Parkplatz, einem Statussymbol der kapitalistischen Klasse. Im Kunstmarkt wird Kunst ob ihres Marktwerts/Hypes begehrt und vereinnahmt oder Kunst wird gemacht um dem Markt zu entsprechen, sich ihm anzubiedern. Kunst wird zum Produkt und Konsumgut und wird dadurch ihrer potentiellen Kritikfähigkeit beraubt, wird flach, berechenbar, gefällig und glatt.
Und wie viel Kunst verträgt der Markt?
Aus der Perspektive des kapitalistischen Markts ist die Kunstwelt ein Feld, in dem immer neue Ideen, Tendenzen und Nischen entstehen – genau das, was der immerwährenden Wachstumsdynamik des Marktes entspricht bzw. ihn antreibt. Die Kunstwelt ist für den Kapitalismus ein unergründlicher Pool zukünftiger Möglichkeiten der Vereinnahmung und Besitznahme – vor allem auch in Kombination mit neuen digitalen Technologien.
Ich frage mich vielmehr, wie Kunst vor einer Vereinnahmung des kapitalistischen Marktes bewahrt werden kann? Und welche Möglichkeiten es gibt, um unabhängige künstlerische Arbeiten in einer vom Kapitalismus durchdrungenen Gesellschaft zu realisieren?
Wofür würden Sie Ihr letztes Geld ausgeben?
Knoblauch.
Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Umherschweifend.
Haben Sie einen Plan B?
Ich habe auch keinen Plan A und mache selten Pläne.
Wann und wo sind Sie das letztes Mal unangenehm aufgefallen?
Ich habe mich im botanischen Garten bei einer langen Menschenschlange vorgedrängelt um einen Blick auf eine riesige, stinkende, selten blühende, phallusförmige Pflanze zu erhaschen.
Wollen Sie die Welt verändern?
In Zeiten, in denen wir die Gesellschaft an die Wand fahren und zukünftigen Generationen einen ruinierten Planeten hinterlassen, handeln alle, die am Status Quo festhalten wollen, grob fahrlässig.
Es geht nicht mehr um ein Wollen, sondern um ein gemeinsames und solidarisches Müssen.