Krippe

APA/AFP/YANN COATSALIOU

Christkind und Sonnengott

Kein Kindermord zu Bethlehem - und nichts mit Ochs und Esel: Ein weihnachtlicher Faktencheck fördert so manche Überraschung (oder Enttäuschung) zutage.

„In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl …“ - die berühmten ersten Worte des Weihnachtsevangeliums geben dem Bericht bei Lukas den Anschein historischer Zuverlässigkeit. Doch: Quirinius wird erst Jahre später Statthalter von Syrien - und König Herodes ist dann bereits tot.

Irgendetwas stimmt also schon in den ersten Zeilen nicht. So darf es auch nicht verwundern, dass sich weder die erwähnte „Volkszählung“ noch der „Kindermord zu Bethlehem“ belegen lassen. Und die Flucht nach Ägypten ergibt - von Galiläa aus betrachtet - schon allein geografisch keinen Sinn.

Ein anderes Verständniss von „historischer Zuverlässigkeit“

Ein weihnachtlicher Faktencheck fällt also bereits auf den ersten Blick ernüchternd aus - denn in der Antike herrscht noch eine völlig andere Auffassung von „historischer Zuverlässigkeit“. Wenn dieser Jesus aus Nazareth, so die Denkweise, der „Messias“ ist, dann muss er (wie König David) in Bethlehem geboren sein; dann braucht er als „Erlöser“ eine Verbindung zu Mose, der das Volk Israel aus Ägypten herausgeführt hat - und dessen Leben ebenfalls gleich zu Beginn tödlich bedroht war. (Er wurde in einem Korb im Nil ausgesetzt.) Die Botschaft lautet also: Die Geburt Jesu ist ein historisches Faktum - und rundherum wird erzählt, wie es gewesen sein könnte.

Doch es kommt noch schlimmer: Ochs und Esel, die in keiner Weihnachtskrippe fehlen dürfen, werden bei Lukas nicht erwähnt. Sie sind vielleicht sogar eine judenfeindliche Spitze, denn beim Propheten Jesaia heißt es: „Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis.“

Guido Reni, Josef von Nazaret (1640)

Guido Reni, "Josef von Nazaret" (1640)

GEMEINFREI

Das weihnachtliche Brauchtum ist relativ jung

Ein Blick auf das weihnachtliche Brauchtum ist ebenfalls eher eine Enttäuschung. Insgesamt ist es relativ jung: Das Christkind wurde noch von Martin Luther „erfunden“ (weil er Sankt Nikolaus als Geschenkebringer verdrängen wollte); Adventkranz und Christbaum tauchen erst im 19. Jahrhundert auf; und der Weihnachtsmann verdankt seine heutige Gestalt wohl der Coca-Cola-Werbung.

Warum der Geburtstag von Jesus überhaupt gefeiert wird, lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen. Die Kirche ist fast 400 Jahre lang ohne Weihnachtsfest ausgekommen. 361 ist es zum ersten Mal belegt. Das liegt auch am Desinteresse der Bibel an diesem Thema: Nur bei Lukas und Matthäus findet sich eine „Kindheitsgeschichte“. Eine der bis heute gängigsten Theorien: Die Kirche habe das Fest eines „unbesiegten“ Sonnengottes (Sol Invictus) „überformt“. Allerdings ist ein solches Fest als reichsweites Großereignis nicht nachweisbar. Die Theorie passt aber gut in die Forschungstradition, die einen engen Zusammenhang zwischen Christentum und Mithras-Kult behauptet.

„Wenn die Heiden feiern, dann fasten wir.“

Christinnen und Christen haben sich aber, so lautet ein Gegenargument, immer schon als „Kontrastgesellschaft“ verstanden. Der Kirchenvater Augustinus hat seine Gemeinde beispielsweise ermahnt: „Wenn die Heiden feiern, dann fasten wir.“ Die Übernahme eines „heidnischen“ Festes scheint daher eher unwahrscheinlich.

Eine alternative Erklärung wäre der aufkommende Wallfahrtstourismus ins „Heilige Land“ im 4. Jahrhundert. Die Pilgerinnen und Pilger wollten die biblischen Ereignisse am richtigen Ort auch zur richtigen Zeit feiern. Also brauchte man auch ein Geburtsfest: Warum die Wahl dann ausgerechnet auf den 25. Dezember gefallen ist, wird sich wohl nie mehr restlos klären lassen.

Gestaltung

  • Markus Veinfurter