Branko Samarovski, Martin Schwab, Hans Dieter Knebel

SUSANNE HASSLER-SMITH

Theater

Peter Handkes „Zwiegespräch“: Elegische Prosa im Altenheim

Zwei Narren vermessen an ihrem Lebensabend Kontinente der Erinnerung und nehmen Abschied. Mit seinem Prosastück „Zwiegespräch“ hat Peter Handke zuletzt einen Text vorgelegt, der von Anfang an auf die Bühne drängte. Die erst 32jährige Regisseurin Rieke Süßkow gibt ihr Debüt am Akademietheater und bringt Handkes fein gesponnene Wortgirlanden in einem schrillen Setting zum Klingen.

Auf schlichten Stühlen werden sie, einer nach dem anderen, auf die Bühne geschoben, flankiert von exzentrischen Pflegerinnen mit Plastikschürzen, deren strenge Choreografie, das wird sofort klar, den Takt vorgibt. Die Farben sind schrill, das ist Tempo rasant und sie sind aus der Zeit gefallen. In seinem Prosastück „Zwiegespräch“ greift Peter Handke die großen existenziellen Themen auf, sinniert über das Abschiednehmen und das Erzählen - seit „1000 und eine Nacht“ Antipode des Todes. Denn erst wenn die Stimme verstummt, ist es endgültig vorbei. Zwei „vergreiste“ Männer treten in einen platonischen Dialog, die Widmung verrät, dass Handke an die verstorbenen Schauspieler Bruno Ganz und Otto Sander gedacht hat. In Wim Wenders „Himmel über Berlin“ verkörperten sie 1987 Engel. Handke war damals bei der Ausarbeitung des Drehbuchs beteiligt. Eine Referenz, die Rieke Süßkow zwar nicht merklich eingearbeitet, aber mitgedacht hat. „Bruno Ganz und Otto Sander spielen Engel, die das Geschehen nur beobachten und beschreiben können, aber nicht eingreifen können“, so Süßkow, „Ich denke, in diesem Text wird auch die Frage verhandelt, ob man als Autor eingreifen kann, oder ob man nicht immer außerhalb stehen muss, um zu beobachten.“

Erzählen gegen den Tod

In den 1960er Jahren ist Peter Handke als Theaterrevoluzzer bekannt geworden, heute wünscht sich der Literaturnobelpreisträger Regisseur:innen, die nicht ehrfürchtig vor seiner formvollendeten Wortkunst erstarren und sich etwas trauen. Die 32jährige Rieke Süßkow hat sich etwas getraut und erfindet ein theatrales Setting, das den Text gänzlich neu rahmt. Sie verpflanzt Handkes elegische Prosa an einen Ort, der einmal an ein kafkaeskes Altenheim erinnert, dann wieder an ein geriatrisches Bootcamp. „Für mich geht es in diesem Text um Generationenkonflikte“, so Rieke Süßkow, „um die Frage, was die vorige und vorvorige Generation an die jüngere Generation weitergibt.“

Den Dialog der alten weißen Männer, die auf ihr Leben zurückblicken und ihrer Ahnen, der vom Krieg gezeichneten Großväter, gedenken, verteilt Regisseurin Rieke Süßkow auf 3 betagte Akteure (Martin Schwab, Branko Samarovski und Hans Dieter Knelb) und zwei junge Akteurinnen (Maresi Riegner und Elisa Plüss). In Süßkows Lesart ist der Text keine heroische Ahnengalerie, sondern eine Familienaufstellung, die deutlich macht, dass Traumata von Generation zu Generation vererbt werden: Da die Friday´s-for-Future-Generation, die um ihre Zukunft bangt, dort die Boomer-Generation, die den Verlust ihrer Deutungshoheit fürchtet.

Willkommen im geriatrischen Bootcamp!

„Das Politische ist in diesem Text allgegenwärtig“, so Regisseurin Rieke Süßkow,“Es geht zwar nicht dezidiert um die Friday´s-for-Future-Bewegung, aber Fragen, die von dieser Generation aufgeworfen werden, werden in dem Text verhandelt. Etwa die Frage, ob die junge Generation die ältere Generation an den Pranger stellt und ihr ihre Stimme wegnimmt.“ In Rieke Süßkows schrillem Altenheim rächt sich die Enkelgeneration mit sadistischen Spielen und doch brechen sich immer wieder zarte Momente der Verständigung zwischen den Generationen Bahn. Auch ohne plakative Anspielungen auf tagesaktuelle Debatten schafft es diese Inszenierung, die Gegenwärtigkeit von Handkes zeitlosem Text sichtbar zu machen.

Die Uraufführung von Peter Handkes „Zwiegespräch“ findet am 8.12.2022 im Akademietheater statt.

Gestaltung