Chris Jagger

Chris Jagger

Musik

Chris Jagger - Aufzeichnungen eines vielseitig Begabten

Der Name Jagger sorgt sofort für Bilder im Kopf - der laszive Rock-Star, die Gegenkultur-Ikone der 1960er Jahre, der ewig fitte Chef des gigantischen Unternehmens Rolling Stones. Das ist Mick Jagger. Der andere Jagger ist viereinhalb Jahre jünger, macht ebenfalls Musik und versucht seit Jahrzehnten das Beste daraus zu machen, Micks kleiner Bruder zu sein. Chris Jagger hat erst vor kurzem sein bislang 13. Album veröffentlicht, dazu seine Autobiografie. Mit beidem im Gepäck kommt er für sechs Konzerte mit Lesung nach Österreich. Zum Auftakt gastierte er im Posthof in Linz.

Chris Jagger war 15 als er zum ersten Mal die Band seines Bruders sah. Die Rolling Stones waren damals noch eine Tanzband und London swingte noch nicht. Als die Stones dann durchstarteten und London zur globalen Pop-Hauptstadt aufstieg, war Chris Jagger mittendrin. In seiner Autobiografie "Talking to Myself" kommen sie alle vor: Keith Richards, die Beatles, Jimi Hendrix, David Gilmour, Pete Townshend, oder Marianne Faithfull.

Der Schneider von Jimi Hendrix

"Talking to Myself" heißt nicht nur die Autobiografie des heute 75-Jährigen, "Talking to Myself" heißt auch ein Stück auf seiner letzten Platte "Mixing Up The Medicine". Im Buch findet sich eine Passage, die viel über Chris Jagger erzählt. Seine Lektion aus den 1960er Jahren, schreibt er da: geh deinen eigenen Weg. Was aber sein eigener Weg wäre? Das wisse er bis heute nicht. "Naja, ich bin Künstler", sagt Jagger im Ö1 Interview. "Ich bin im Theater aufgetreten, habe Konzerte gespielt, ich habe Songs geschrieben und ein Buch. Das sind alles Teile eines Puzzles. Ich kommentiere die Dinge." Und das ist längst nicht alles: Chris Jagger spielte in Filmen wie in Kenneth Angers "Lucifer Rising", er entwarf psychedelische Outfits für seinen Freund Jimi Hendrix und John Lennon, baute eigene Gitarren oder spielte in Tel Aviv im Musical "Hair". Immer wieder riss Chris Jagger aus dem bunten Londoner Rock-and-Roll-Zirkus aus, um sich selbst zu finden und trampte etwa durch die Türkei, Pakistan und Kaschmir.

Der Fixstern Mick und seine Umlaufbahn

Seit seiner Jugend ist Chris Jagger auch immer wieder als Korrespondent in Sachen Rolling Stones unterwegs. Als Journalist war er unter anderem für den "Guardian" tätig. In seiner Autobiografie "Talking to Myself" erzählt er die Anekdote von einem Familienurlaub und einem Foto von ihm und Mick mit Sombrero. Als die Presse Jahre später Chris einfach aus dem Bild schnitt, wäre er zutiefst verletzt gewesen. Bruder Mick bleibt bis heute der Magnet, dessen Anziehungskraft Chris Jagger nicht entkommen kann, der strahlende Fixstern, in dessen Umlaufbahn es sich zu positionieren gilt.

Während an Mick Jaggers legendären Lippen Millionen hängen, nennt Chris Jagger also seine Autobiografie "Talking to Myself", Selbstgespräch. Es sind leise Aufzeichnungen eines vielseitig Begabten. Chris Jagger erzählt darin von Kindheitserinnerungen mit dem gleichen nüchternen Tonfall wie von einer Begegnung mit John Lennon. Sex and Drugs and Rock 'n' Roll und der schillernde Technicolour Dream der Sixties sind bei ihm beiläufig erzählte Episoden.

"Es als Musiker zu versuchen, war eine dumme Idee"

Vor genau 50 Jahren veröffentlichte Chris Jagger sein Debütalbum. "You Know the Name But Not the Face" - Du kennst den Namen aber nicht das Gesicht, so der vielsagende Titel. "Mixing Up The Medicine" ist sein 13. Album. Man hört, dass ihm das Musikmachen Freude macht. Songs wie "A Love Like This" zeigen Jagger als talentierten Songwriter, der immer wieder auch mit Größen wie Eric Clapton oder David Gilmour zusammenspielte. Aufmerksamkeit generiert das Album allerdings durch die Berührungspunkte mit Bruder Mick. Ohne ihn als Duett-Partner im Song "Anyone Seen My Heart?" (inklusive Auftritt im dazugehörigen Video) und einem Song über ihre Beziehung wäre die Berichterstattung eine andere. "Es als Musiker zu versuchen, war eine dumme Idee. Jetzt ist es zu spät, daran noch etwas zu ändern. Also mache ich weiter", sagt Chris Jagger offenherzig.

Einen berühmten Bruder zu haben, kann dich in Schwierigkeiten bringen, schreibt Chris Jagger in "Talking To Myself". Seine Antwort: es ist ok, normal zu sein. Man muss arbeiten, um stolz auf sich sein zu können. Eine lebenslange Aufgabe. "Es war nicht immer leicht, der zu sein, der ich eben bin. Aber: c’est la vie."

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