Frau am Klavier, Klaviertasten

PICTUREDESK.COM/WESTEND61/MARA DIACHENKO

Ö1 Sommerserie

Please note! - Komponistinnen!

Bitte bemerken! Das steht unter den Rezensionen von Aufführungen von Werken der Komponistinnen. Bemerkt sie endlich, streicht sie nicht heraus, haltet sie nicht für weniger wichtig! 19 neue Porträts von Komponistinnen zeigen eine Vielfalt der Genres und einen Reichtum an Komponistinnen mit dem Schwerpunkt des Schaffens auf der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts.

Komponistinnen sind beim Publikum angekommen, gebt ihnen endlich ihren Platz in der Musikgeschichte.

Es begann mit einem täglichen Posting auf Instagram, daraus wurde eine Kolumne in der Sunday Times, daraus entstand das Buch: The Story of Art without Men von Katy Hessel. Eine Kunstgeschichte ohne Männer, also eine Kunstgeschichte der Frauen. Das Buch gibt eine entlarvende Antwort auf die Frage: Warum gibt es keine großen Künstlerinnen?

"The Story of Art without Men von Katy Hessel" von Katy Hessel, Piper Verlag

"The Story of Art without Men von Katy Hessel" von Katy Hessel

PIPER VERLAG

Die Zahlen, die hier präsentiert werden, sind ernüchternd: 87 Prozent der Kunstwerke in US-Museen sind von Männern, davon nur zwei Prozent von farbigen Männern. Für die Musikszene gilt Ähnliches, 20 Prozent Frauen im Jazz, in der Neuen Musik etwas mehr, in der Klassik ein Bruchteil. Ein Schelm, der sich mit Zahlen zufriedengibt, denn: Die Budgets halten mit diesen Prozentzahlen nicht Schritt. Eine Pyramide der Diffamierung: Je größer die Orchester, je renommierter die Konzertreihen, desto weniger Werke von Frauen.

Worum geht’s? Um Geld, ja auch. Aber wenn es stimmt, dass Kunstwerke Augenblicke der Geschichte auf einzigartige Weise festhalten, dass ohne Kunst die Gesellschaft nicht erfasst werden kann - dann übersehen wir die halbe Welt, das halbe Leben. Eine Kunstgeschichte ohne Männer rückt die Lebenserzählungen der Frauen in den Vordergrund, von Mutterschaft bis zum Schmerz der Abtreibung, von der Gewalt gegen Frauen bis zu Ausbeutung, es bringt die Kunst jener Frauen in den Kanon, die sich selbst als neurodivers, queer, farbig bezeichnen, sie bildet ab, die Alltagskulturen und Lebenswirklichkeiten von übersehenen "Minderheiten", sie bildet.

In einer Geschichte der Musikkunst der Frauen ist Musik - wer würde es bezweifeln? - ein Spiegel der Gegenwart. Sie ist "Kunst, die verbindet und kommuniziert. Ihre Botschaft verändert sich, je nachdem, wer ihr begegnet." Die Musik Lera Auerbachs, der aus der Sowjetunion geflohenen jüdischen Kosmopolitin mit österreichischer Staatsbürgerschaft, die sich ein Leben lang als Außenseiterin sieht, will dem Dasein in unserer Gesellschaft im Umbruch nachspüren, mit all ihren Zweifeln, Zukunftsängsten, Veränderungen und Sinnlosigkeiten. Die Musik Gustavs ist Protest gegen Umweltzerstörung und Forderung nach Gleichberechtigung, nicht mehr nur beider, sondern aller Geschlechter. Wie heißt‘s bei Eva Jantschitsch aka Gustav: "Wir können viel erreichen, denn wir haben nix zu verlieren!"

Die Musik wird Anklage, wie die Zwei-Personen-Oper der Komponistin Ellen Reid, die im Libretto der Roxie Perkins die Todesqualen einer Vergewaltigten aufgreift; es entstand eine Oper als Gang durch die Hölle, nicht mehr die Höllenfahrt eines Don Juan, sondern die Qualen der Geschändeten.

In der dritten Auflage der Sommerserie "Komponistinnen" greifen wir aus den vielen einige heraus, mit Schwerpunkt auf dem 20. und 21. Jahrhundert, vor allem jene, denen Österreichs Konzerthäuser oder Festivals Gastgeber oder Wirkungsstätte wurden.

Während es Wikipedia seinen Verfasserinnen schwer macht, die Neun-Prozent-Klippe der eingetragenen Wissenschaftlerinnen zu überspringen, blühen Datenbanken und Blogs, angetrieben von unbezahlten Autorinnen im unerschütterlichen Glauben an "I can change it".

500 Opernkomponistinnen, diese rare Künstlerinnengruppe, die den Parnass des klassischen Musiklebens erklommen hat, sind erfasst; wir greifen vier heraus. Die stetig wachsende Plattform "Pianomusic she wrote" erfreut das Publikum auf Instragram, YouTube, ediert Klaviermusik-Alben, kontetxualisiert mit Biografien und Spielanleitungen. Auch wenn wir weniger als eine Handvoll herausgreifen, wie die Schönberg-Schülerin Jean Coulthard oder die aus Bulgarien stammende Alexandra Karastoyanova-Hermentin, befeuern wir das Genre: Klaviermusik von Komponistinnen. Unser Augenmerk gehört heuer auch den Genres der vertonten Gläubigkeit, Theaterkomponistinnen und Stimmkünstlerinnen.

Besonders aufreizend ist das kommende Johann-Strauß-Jahr: die leeren Plätze in der Geschichte der Tanzmusik zu füllen. Der Walzer aus Wien kommt auch von venezolanischen, deutschen, türkischen Komponistinnen. Und wie es in einer Kapelle üblich war, waren die Komponistinnen auch Unternehmerinnen, Managerinnen ihrer Kapellen.

In der dritten Auflage der Komponistinnenporträts fragen wir explizit nach
den Erfolgsstrategien und nach den Stufen, die zum Erfolg führen.

In welche Familien und Milieus wurden sie geboren, welchen gesetzlichen Hürden und gesellschaftlichen Reglements mussten sie sich entgegenstellen, wer entdeckte ihr Talent in der Kindheit und Jugend, wer förderte es, wer gab oder vermittelte Stipendien und Aufträge?
Denn die Musik der Komponistinnen steht in einem Produktionsfeld, in dem alle eine Verantwortung haben: die Auftraggebenden, die Fördernden, die Dramaturg:innen, die Ausführenden, die Zuhörenden.

Gestaltung

  • Irene Suchy