Illustration eines Borkenkäfers.

ORF/ISABELLE ORSINI UND ROSENBERG

Ö1 Insektarium

Wer knabbert im Holz?

Für die einen sind sie gefährliche Schädlinge, für die anderen ein wertvoller Teil eines natürlichen Waldes: Insekten, die in, von und mit Holz leben. In der Natur sind Insekten, die Holz fressen oder für ihren Nachwuchs benötigen, Teil des natürlichen Stoffkreislaufs und notwendig für die Verwertung abgestorbener Bäume.

Dass wir Menschen Holz nicht verdauen können, bedeutet nicht, dass es nicht nahrhaft ist. Und so gibt es neben Pilzen auch Tiere, die sich darauf spezialisiert haben, Holz zu fressen. Bei „ausgewachsenem“ Holz sind das vor allem Insekten. Prominent unter ihnen ist der Borkenkäfer.

Der Borkenkäfer

Der Borkenkäfer hat einen schlechten Ruf, ruinieren die Larven dieser artenreichen Insektengruppe doch ganze Forste, indem sie sich unter der Borke fressend fortbewegen. Weil sie dabei recht ästhetische Muster erzeugen, haben manche von ihnen bildhafte Namen wie Buchdrucker, Kupferstecher oder Großer Waldgärtner. Der Buchdrucker (Ips typographus) hat sich in den vergangenen Jahren vor allem in Fichtenmonokulturen explosionsartig vermehrt, weil die Bäume aufgrund von steigenden Temperaturen und Trockenheit geschwächt sind. In naturnahen Wäldern mit einer Vielfalt an Baumarten, Altersstadien und Strukturen gelingt ihm das nicht so gut, weil seine Gegenspieler - Vögel, andere Insekten, Pilze - dort gute Lebensbedingungen vorfinden.

Der Splintholzkäfer

Holzfressende Insekten haben wichtige Aufgaben beim Abbau von Totholz und dem Funktionieren des Stoffkreislaufs. Doch sie kommen in Konflikt mit uns Menschen, wenn das „Totholz“ ein Mitbringsel von einer Fernreise ist oder eine von der Uroma vererbte Kommode. Der Splintholzkäfer zum Beispiel hat sich auf antikes Holz spezialisiert. Er befällt mit Vorliebe alte Möbel, Kutschen und Bilderrahmen, auch in Parkettböden findet man ihn. Der schlanke hellbraune, bis zu 3 Zentimeter große Splintholzkäfer ist ein Migrant: Er ist mit dem internationalen Holzhandel aus den Tropen nach Europa gelangt und hat hier ideale Lebensbedingungen vorgefunden. In Museen und Antiquitätengeschäften, aber auch im Immobilienbereich ist der Käfer ein gefürchteter Schädling. Entdeckt wird sein Wirken meist durch winzige Löcher im Holz, unter denen sich kleine Häufchen Fraßmehl finden.

Die Holzbiene

Auch die Holzbiene mag - wie schon ihr Name andeutet - Holz. Allerdings frisst sie es nicht und verfüttert es nicht an ihre Larven, sie baut daraus ihre Kinderstuben in Brennholz, alten Stadeln oder Zaunstehern. Als Nahrung dienen ihr und ihren Larven Pollen und Nektar verschiedener Blütenpflanzen. Die Blauschwarze Holzbiene ist mit bis zu 28 Millimeter Länge die größte Wildbiene in Mitteleuropa und vielleicht auch die auffälligste. Ihr Körper ist schwarz und wenig behaart, ihre Flügel schillern dunkelblau und beim Fliegen macht sie ein Geräusch, als ob ein kleines Kind ein Flugzeug nachahmt.

Der Rothalsige Düsterkäfer

Über Lebenszeichen von Totholzbewohnern freuen können sich hingegen Biologinnen und Biologen. Im April 2023 machten die Forscher des Nationalpark Kalkalpen einen sensationellen Fund: Sie entdeckten den Rothalsigen Düsterkäfer, eine Urwald-Relikt-Art, die in der Flora-Fauna-Habitatrichtlinie der EU unter prioritärem Schutz steht. Der Käfer, der von Totholz lebt, war zuletzt vor 40 Jahren nachgewiesen worden. Die nächste bekannte Population lebt im Białowieża-Nationalpark in Polen. Der seltene Käfer profitiert davon, dass die Kalkalpen schwer zugängliche Schluchten und Gräben haben, die sich einst der forstwirtschaftlichen Nutzung entzogen. Seit das Gebiet Nationalpark ist, seit 1997, und die Wälder sich natürlich entwickeln dürfen, kann sich der schwarze Käfer mit dem roten Hals wieder verbreiten - gemeinsam mit 40 weiteren Insektenarten, die auf Totholz angewiesen sind.

Gestaltung

  • Sonja Bettel