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Diskussion über die neue Medienförderung
Brennen für den Journalismus
Die digitale Transformation fordert in der Print-Branche ihren Tribut, es herrscht Alarmstufe rot. Der neue SPÖ-Medienminister versucht mit neuen staatlichen Förderungen in beachtlicher Höhe gegenzusteuern. An privaten Förderfonds will sich Andreas Babler nicht beteiligen. Kritiker bezweifeln stark, dass er die Schwerpunkte richtig setzt.
6. Juni 2025, 08:03
"Die österreichische Medienförderung des Bundes stülpt einen Glassturz über die Branche und konserviert den Status quo. Und das führt dazu, dass viele Medien völlig überfördert sind, während andere nichts bekommen", so hart fällt das Urteil von Martin Kotynek aus. Der frühere "Standard"-Chefredakteur führt jetzt die Geschäfte des "Media Forward Fund", der von Stiftungen getragen und finanziert wird. Der Fonds fördert innovative Medienprojekte.
Alle Österreicher blitzten bei Förderfonds ab
Im Vorjahr haben aus Österreich gleich zwei, nämlich "Dossier" und "andererseits" reüssiert. Das war's dann aber auch schon an Innovation, heuer scheiterten alle 20 Einreichungen aus Österreich in der ersten Runde. Kotynek: "Leider hat es kein einziges österreichisches Medium in die nächste Runde geschafft. Das liegt unter anderem daran, dass wir aus Österreich diesmal erstaunlich viele Printprojekte bekommen haben, wo aber sonst kein anderes Geschäftsmodell dranhing. Und wir haben uns dann gefragt, woran das wohl liegen könnte."
Als Antwort sei gekommen, dass man ein Print-Produkt machen müsse, um in Österreich in die staatliche Transformationsförderung zu kommen. "Anstatt dass sie sich um ein digitales Geschäftsmodell kümmern und dieses entwickeln, machen die jetzt Printmagazine. Und das war natürlich im Vergleich mit den Bewerbungen aus Deutschland und der Schweiz, die stark im Digitalen unterwegs waren, chancenlos", sagt Kotynek.
"Medienpolitik in Österreich ist Klientelpolitik"
Auch Anita Zielina, die als Medienberaterin international tätig ist und derzeit noch auf einem NEOS-Ticket dem ORF-Stiftungsrat angehört, redet Klartext. "Medien-Förderpolitik in Österreich ist ja primär Klientelpolitik. Das ist das Grundproblem. Wir sind also in einer Förder-Welt, in der wir vorrangig Medienförderung nutzen, um Löcher zu stopfen, um alte Modelle zu konservieren, um durch Krisen durchzutauchen."
Tatsächlich hat der neue Medienminister gut verhandelt, im kommenden Jahr gibt es 55 Förder-Millionen zusätzlich - das ist eine Verdoppelung des bisherigen jährlichen Volumens. Lange gab es in Österreich nur die Presseförderung, die lag einmal über, jetzt unter 10 Millionen Euro. Dann kamen die digitale Transformationsförderung dazu - 20 Millionen - und die Qualitätsjournalismus-Förderung, das sind weitere 20 Millionen. Anita Zielina kritisiert, dass quasi im stillen Kämmerlein ausgeheckt werde, wie das Geld verteilt wird.
Millionensummen und noch keine Modelle
"Ich halte es für sehr problematisch, dass wir ohne einen transparenten Diskussions- und Entscheidungsfindungsprozess durch sehr gutes politisches Verhandeln und Lobbyieren unter anderem des Verlegerverbandes jetzt den Großteil der Medienförderung in bestehendes Print investieren. Ja, das kann Teil eines Gesamtkonzepts sein. Aber momentan sind wir dabei, hier wirklich Millionensummen zu investieren, ohne zu hinterfragen: Was macht das denn mit dem Markt?"
Was die Vertriebsförderung angeht, trifft die Kritik voll ins Schwarze bzw. ins Rote. Der SPÖ-Chef und Medienminister sieht das als Teil seiner Wahlkampf-Parole "Recht auf analoges Leben" - und er steht dazu. Menschen, die digital nicht so firm oder technisch nicht gut angebunden sind, sollen ihre Zeitung auf Papier bekommen, sagt Andreas Babler. "Recht auf analoges Leben heißt im Printmedien-Bereich, das Recht zu haben, über Vertrieb sichergestellt zu kriegen, dass man auch noch Print lesen kann. Das hat was mit Kultur und mit Medien-Kultur zu tun. Und deswegen wollen wir das aufrechterhalten."

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Neue Vertriebsförderung nur für 2026 gesichert
Anders als das sogenannte "Meine-Zeitung-Abo" für Junge, für das ab 2026 jährlich 30 Millionen Euro im Budget vorgesehen sind, ist die neue Vertriebs-Förderung in Höhe von 25 Millionen nur für 2026 gesichert. Babler bestätigt das im #doublecheck-Interview. "Wir haben diese 25 Millionen vorgesehen, weil wir wissen, dass für die Printmedien Vertrieb ein Riesenthema ist. Dem wollen wir uns annehmen, als Bundesregierung, und insofern kann ich keine konkreten Angaben machen, wie weit sie ausgestaltet wird, was für Modelle es konkret sind. Aber es gibt den Wunsch, das auch in Zukunft weiterzuführen."
Das Projekt "Arzt am Sterbebett von Print"
Den Wunsch haben viele im Zeitungsverband, aber nicht alle. Medienforscher Andy Kaltenbrunner spricht vom Projekt "Arzt am Sterbebett der Printmedien", und er erzählt: "Unter den Verlegerinnen und Verlegern, mit denen ich rede, gibt es da auch sehr unterschiedliche Positionen. Also alle jene, die früh versucht haben, in Digitalisierung, in neue Zielgruppen, in neue Formate zu investieren, die fühlen sich da benachteiligt. Zu Recht, glaube ich." Der Geschäftsführer des "Standard", Alexander Mitteräcker, hat beim Journalismusfest in Innsbruck auch öffentlich kritisiert, dass die Regierung die "Distribution toter Bäume" fördern wolle. Der "Standard" ist schon seit 30 Jahren online.
Gratis-Abo für Junge in der Schweiz kein Hit
Zurückhaltend ist der Medienminister auch, wenn man ihn nach seinem Modell für das Gratis-Abo fragt. Das Beispiel des Schweizer Kantons Freiburg, wo ein Pilotprojekt mit kostenlosen Regionalmedien-Abos für 18-Jährige läuft, das kennt der Vizekanzler nicht. Vom 2024-er Jahrgang haben dort nur zwölf Prozent das Angebot genutzt, seine Leute würden sich das Beispiel anschauen, sagt Andreas Babler.
Im Regierungsprogramm stehen keine Details, aber die SPÖ hat dazu vor der Nationalratswahl einen Entschließungsantrag eingebracht. Es ist ihr Projekt, das da umgesetzt wird. Geht es auch nach den SPÖ-Vorstellungen, dann bekommen alle zwischen 16 und 30 pro Jahr 150 Euro für ein Abo des Mediums ihrer Wahl auf ein persönliches Konto gebucht. Die Medien müssen alle gängigen Qualitätskriterien erfüllen, ein Fachbeirat entscheidet. Demokratiefeindliche Medien und solche mit wiederholten Verurteilungen wären ausgeschlossen.
"Meine Zeitung" für Babler nur ein Arbeitstitel
Für den Medienminister ist das ein durch und durch politisches Projekt: "Ich glaube, es ist das Interesse auch von allen Medienhäusern, nachzudenken: was ist ein adäquates jugendliches Angebot. Das soll es unterstützen, wenn es das gibt. Deswegen ist dieser Begriff "Meine Zeitung" ja nur ein Arbeitstitel. Es können auch digitale Angebote umfasst sein im Qualitätsjournalismus, in gut aufbereiteten Podcasts, ich mag das so breit auch darstellen. Und dass es nicht so ist, dass das Abo der Oma oder das vom Opa sozusagen weitergegeben wird."
Babler tritt also der Sorge mancher entgegen, die hier eine weitere versteckte reine Print-Förderung vermuten. Andy Kaltenbrunner vom Medienhaus Wien drückt es so aus: "Wenn es einen sinnvollen Mix gibt, wo kostenlose Angebote intelligent zu vergessenen oder verlorenen Zielgruppen kommen, dann ist das eine gute Idee. Wenn es darum geht, Zeitungen zu verschenken und damit Geld an die Verlage zu geben, die damit Löcher allenfalls stopfen, die immer größer werden, dann ist es eine schlechte Idee."
Potenzial für innovative Start-up-Förderung
Potenzial für eine gute Idee wäre da, wie man aus dem SPÖ-Entschließungsantrag herauslesen kann, da heißt es: "Einen besonderen Fokus legen wir mit unserem Abo-Modell auf die Förderung journalistischer Innovation, (...) Fakten-Checking, Podcasts, Social-Media-Integration, gemeinnütziger oder kollaborativer Journalismus. Dafür sollen auch die Teilnahmebedingungen an die besonderen Voraussetzungen von Start-ups und innovativen journalistischen Projekten angepasst werden." Andreas Babler will nicht mehr und nicht weniger als die Medienförderung demokratisieren, indem die Leserinnen und Leser ermächtigt werden, mit dem Gratis-Abo eine selbstbestimmte Medienauswahl zu treffen.
Soweit die Theorie, der Expertin fehlt noch der Glaube. Anita Zielina: "Bisher habe ich noch nicht sehr viel gehört und gesehen zum Thema Medien Start-ups, zum Thema Medieninnovation, zum Thema radikale neue Ideen fördern, Ansiedlung neuer Medien fördern, Medien Start-ups in der zweiten Wachstumsphase zu unterstützen. Wir müssen weg davon, Medieninnovationen die Krümel, die Restplätze in alten Fördertöpfen zu geben, sondern ihnen eigene Spielräume aktiv zu gestalten."
Große Defizite beim kommerziellen Know-how
Zielina und Martin Kotynek weisen auf einen weiteren blinden Fleck hin: Journalismus brauche ein Geschäftsmodell, da gebe es große Defizite, wie sich in der Förderpraxis zeige, so Kotynek. "Da ist oft nicht genug Wissen vorhanden - ist auch teilweise klar, weil das sind Gründungen, die von Journalisten gestartet wurden. Und da ist jetzt auch unsere Aufgabe, nicht nur mit Fördermitteln und Geld zu unterstützen, sondern auch auf der kommerziellen Seite Know-how zu vermitteln."
Anita Zielina ergänzt: "Ich sehe jedes Jahr die Pitches von mehreren 100 Start-ups aus der ganzen Welt, und ich sehe immer wieder gute journalistische Ideen, aber ohne Businessplan dahinter, ohne die Idee, wie man Kunden überzeugen wird können."
Kein staatliches Geld in private Förderfonds
Der "Media Forward Fund" arbeitet jetzt in Deutschland mit dem Bundesbildungs-Ministerium zusammen, das ein entsprechendes Programm mitfinanziert. Eine Möglichkeit, die laut Martin Kotynek auch staatlichen Stellen in Österreich offensteht. Medienminister Andreas Babler lehnt es freilich entschieden ab, sich an privaten Förderfonds zu beteiligen. "Ich habe wirklich darum gerauft, dass wir Förderungen aufrechterhalten können, die den Medienstandort sichern."
Obwohl Babler selbst einräumt, dass private Fonds flexibel agieren können, stellt sich die Frage für ihn nicht, "ob wir in private Förderfonds unser Geld investieren könnten. Alles lieb und schön, ich muss schauen, dass wir die Strategie der Medienförderung so modern wie möglich, auch staatlich nachhaltig gesichert auch für die Zukunft garantieren." Das eine tun und das andere nicht lassen, wäre eine Möglichkeit, sagt dazu die Medienberaterin Anita Zielina. Und Andy Kaltenbrunner meint, es wäre doch ganz wunderbar, wenn es in Österreich mehr Stiftungen gäbe, die für Journalismus brennen - im doppelten Sinn des Wortes.