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Neuaufstellung der ORF-Gremien
Kein Hauch von Entpolitisierung
Der erste Streich vom SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler als Medienminister war eine Neuaufstellung der ORF-Gremien. Der Verfassungsgerichtshof hat das erzwungen, weil die alte Regelung der Regierung zu viel Einfluss bei der Beschickung der Gremien gegeben hat. Babler spricht von Entpolitisierung, aber zu spüren ist vorerst nicht einmal ein Hauch davon.
6. Juni 2025, 07:59
Herausgekommen ist eine Minimalreform, über die Anita Zielina - sie war vier Jahre auf einem NEOS-Ticket im Stiftungsrat - sagt: "Das kann mit Sicherheit noch nicht alles gewesen sein. Der ORF braucht eben keinen nach Parteibüchern organisierten Stiftungsrat, er braucht einen strategischen Aufsichtsrat. Ich denke, da werden auch viele der Kolleginnen, die mit mir in diesem Gremium sitzen, der Meinung sein."
"Das kann nicht alles gewesen sein"
Die Regierung entsendet nur noch sechs Stiftungsräte, der Publikumsrat neun. Und bei dessen Zusammensetzung hat sich die Regierung auch zurückgenommen. Sie bestimmt vierzehn Mitglieder des Publikumsrates, ebenso viele werden von Organisationen wie Kammern, Kirchen und Autofahrerklubs, aber auch von den Partei-Akademien entsendet.
Wie die sechs Stiftungsräte nominiert werden, das regelt das Regierungsprogramm - drei ÖVP, zwei SPÖ, einer NEOS. Und das hat nach einer Analyse des Rundfunkrechtsexperten Hans Peter Lehofer zu einer parteipolitisch zuordenbaren Vorauswahl unter den Bewerbungen geführt. An die 70 soll es gegeben haben, wer nicht zum Zug gekommen ist, das bleibt im Dunkeln. Eine Schwachstelle, findet Lehofer. Der für die Medien zuständige Vizekanzler sagt dazu nur, es sei ja gesetzlich nicht vorgesehen, alle Namen bekanntzugeben.
Der rot-schwarze Abtausch ist greifbar
Hans Peter Lehofer hat sich auch die Regierungs-Auswahl für den Publikumsrat angesehen und befunden, dass ein schwarz-roter Abtausch greifbar ist: Unis hier - Schulen da, Schülerinnen hier - Jugend da, Autofahrer hier - Konsumentinnen da, hier ÖVP-Leute - dort SPÖ-Leute. "Alter Proporz in neuen Schläuchen", nennt Lehofer das. Und Anita Zielina bringt es auf den Punkt: "Die Wurzel liegt in der Entsendungs-Politik und nicht daran, dass man dann sagt, die dürfen sich dann nicht mehr vorab im Freundeskreis abstimmen."
Andreas Babler lässt diese Kritik kalt, er habe sich um Experten und unabhängige Personen bemüht. Er habe auch unter Zeitdruck das VfGH-Erkenntnis zu den Gremien "auf Punkt und Beistrich" umgesetzt.
Bei den Freundeskreisen bewegt sich was
Was mit den angesprochenen parteipolitischen Freundeskreisen passiert, bleibt spannend. Hier spielt Leonhard Dobusch eine zentrale Rolle, der auf einem SPÖ-Ticket in den Stiftungsrat kommt. Dobusch hat jahrelange Erfahrung in den ZDF-Gremien Fernsehrat und Verwaltungsrat, und er will die dort üblichen offenen Vorbesprechungen im ORF etablieren. Die von NEOS und Grünen entsandten Stiftungsratsmitglieder und die SPÖ-Leute dürften jedenfalls dabei sein.
Vom neuen Sprecher des ÖVP-Freundeskreises Gregor Schütze war dazu noch kein Kommentar zu bekommen. Und FPÖ-Mann Peter Westenthaler lässt wissen: Er mache mit sich selbst die Vorbesprechungen.
Babler für Absprachen, die "demokratisch abbilden"
Medienminister Andreas Babler begrüßt die Bemühungen hinter den Kulissen namentlich von Leonhard Dobusch, von den fraktionellen Freundeskreisen wegzukommen. Die seien nicht notwendig, es gehe um Expertise. Babler unterstreicht, dass das seine Meinung sei, die er bewusst äußere. Einfluss auf die Gremien habe er nicht, und das sei gut so. Er nehme auch an keinen Besprechungen zu diesen Fragen teil, wie sich die Gremienmitglieder organisieren.
Auf die Frage, ob der SPÖ als größter Gruppe im Stiftungsrat dort der Vorsitz zustehe – beste Chancen hat Heinz Lederer, Stiftungsrats-Urgestein und bisher roter Freundeskreis-Sprecher – sagt Andreas Babler nach einer auffälligen Schrecksekunde: "Ob er zusteht? Es gibt immer Vereinbarungen, die getroffen werden, die Sinn machen, es demokratisch abbilden, so würde ich das gern am liebsten unkonkret auch beantworten."
Publikumsrat entsendet im Dreier-Proporz
Mittlerweile hat der Publikumsrat seine neun Vertreter für den Stiftungsrat gewählt und interessanterweise hat sich auch hier das Stärkeverhältnis der Parteien "demokratisch abgebildet", wie Andreas Babler das nennt. Die SPÖ stellt mit Gabriele Zgubic von der Arbeiterkammer die neue Vorsitzende des Publikumsrats, ihre Stellvertreterin Petra Stolba wurde von ÖVP-Seite vorgeschlagen.
Das gleiche Muster, nämlich Regierungsproporz, auch bei der Wahl der neun Vertreter des Publikumsrats im Stiftungsrat: Die SPÖ hat vier, die ÖVP auch vier und die NEOS einen Vertreter vorgeschlagen. Sie wurden mehrheitlich gewählt. Drei unabhängige Publikumsräte - Martin Ladstätter vom Behindertenrat, Christoph Riedl von der Caritas und Matthias Karmasin von der Akademie der Wissenschaften - hatten aus Protest gegen die Regierungsabsprache demonstrativ dagegen kandidiert, bekamen aber nur zwischen vier und elf Stimmen, der Aufstand fand also - trotz geheimer Abstimmung - keine Mehrheit.
Wer im Stiftungsrat den Vorsitz bekommt, das wird in der konstituierenden Sitzung am 17. Juni entschieden. Dann werden wir wissen, was sich dort "demokratisch abbildet".