
ORF/FLORIAN JAUK
Ö1 Talentebörse
Ruth Größwang, Bildende Kunst
In Kooperation mit den österreichischen Kunstuniversitäten präsentiert Ö1 junge Kunst-Talente Österreichs. Ruth Größwang studiert Experimentelle Gestaltung an der Kunstuniversität Linz.
7. August 2025, 13:27
Manchmal hoffe ich, dass sich ein frischer Blick auf bestimmte Zusammenhänge auftut, solche, die ich selbst schwer in Worte fassen kann. Oder dass sich emotional irgendetwas regt, was genau, ist gar nicht so wichtig.
Geboren: 1996 in Ried im Innkreis
Aktuelles Studium: Experimentelle Gestaltung bei Anna Jermolaewa, Kunstuni Linz
Mein Größter Erfolg: Mich aufgerappelt zu haben.
Was ist Kunst und was nicht?
Für mich bedeutet Kunst Eklektizismus – das Aufsaugen und Sammeln von Alltäglichem, Ungewöhnlichem, von Blödeleien, Ärgernissen. Durch das Bündeln entsteht eine Arbeit, die Einblicke in die Perspektiven und die Zeit der künstlerischen Person ermöglicht. Manchmal gibt es Ausschreibungen für Kunstprojekte wie: „Wir suchen künstlerische Visionen für ein erdölfreies Zeitalter.“ Das ärgert mich. Kunst kann vieles, aber sie muss nichts. Für mich existiert kein logisches künstlerisches Kausalitätsprinzip, keine klar didaktisch zu vermittelnden Aussagen. Gerade das ist das Interessante. Dass die Vielschichtigkeit Offenheit erfordert und dass auch für uns meist negativ Konnotiertes wie Irritation, Unsicherheit oder Ambivalenz darin Platz findet.
Wie sind Sie zur Kunst gekommen?
Als Kleinkind habe ich mir oft vorgestellt eine amerikanische Sängerin zu sein, die traurige Liebeslieder singt. Sie hieß die coole Shevalynn, das war
das amerikanischste, was mir damals einfiel. Meine Oma konnte den Namen nicht aussprechen und weil ich eine Zeit lang nur auf meinen Künstlernamen hörte, hatte sie keine Chance mich ins Bett zu schicken. Ich hab als Kind viel gebastelt und gezeichnet. Meine andere Oma machte feine, dekorative Malerein, mit Pinseln, die höchstens drei Haare hatten. Das hat mir imponiert. Später war ich ein bisschen lost. In meinem Umfeld gab es kaum kreative Menschen. Der Höhepunkt an Kreativität war, sich möglichst perfide Strafen für die Verlierer*innen beim Kartenspielen auszudenken (war sehr lustig). Über eine Freundin bin ich schließlich an die Kunstuni gekommen und habe nach und nach mit meinem damaligen Umfeld gebrochen, das mir rückblickend nicht besonders gutgetan hat. An der Uni lernte ich neue, mir bis dahin fremde künstlerische Zugänge kennen. Ich hatte etwas gefunden, bei dem sich meine elendige Verkopftheit auszahlte und gleichzeitig etwas, das es mir ermöglichte, sie auch loszulassen, ohne mich betäuben zu müssen.
Kommt Kunst von können, müssen oder wollen?
Eine gute Mischung aus allen dreien, z‘weng und z‘vü is Norrnzü!
Wo würden Sie am liebsten ausstellen?
In Linz gibt es einen künstlichen Teich bei der Landwirtschaftskammer, dessen Oberfläche vollständig von Wasserlinsen bedeckt ist. Ich hab schon öfter Hunde reinplumpsen sehen, weil sie dachten es sei fester Boden. Leider hab ich noch immer keine gute Idee für eine Arbeit dort, vielleicht muss es was mit Hunden sein. Auch das Baltikum oder Skandinavien würden mich sehr interessieren.
Mit wem würden Sie gerne zusammenarbeiten?
Ein Freund von mir, Mustafa, macht sehr coole, humorvolle Zeichnungen. Er hat einiges durchgemacht, und ich finde, seine Erfahrungen sollten geteilt werden. Ich würde irgendwann gerne gemeinsam mit ihm an einer Ausstellung arbeiten.
Wieviel Markt verträgt die Kunst?
Ich kenne mich nicht mit dem Kunstmarkt aus, weil sich meine Arbeiten nicht sonderlich gut vermarkten lassen. Vermutlich sollte ich mir da irgendwas einfallen lassen. Bin aber stur und zu idealistisch und denke, dass der Antrieb, etwas für den Markt zu produzieren, kein ehrlicher wäre. Es gäbe aber sicher eine smartere Lösung, als Sturheit und Idealismus.
Wieviel Kunst verträgt der Markt?
Ich weiß es nicht.
Was ist etwas völlig Unvernünftiges, das Sie trotzdem sofort tun würden, wenn Geld keine Rolle spielt?
Ich würde mir einen Pool mit Mosaik bauen und Rutschen von Hausdächern direkt in Seen.
Welche Vision haben Sie für Ihre Arbeit - oder für sich selbst - in zehn Jahren, die Sie (noch) niemandem erzählt haben?
Meine Visionen reichen selten über die nächsten Wochen hinaus, weil ich mich oft mit Arbeit vollpacke und mich langfristige Pläne und Visionen stressen.
Glauben Sie dass Ihre Arbeit in Zukunft von künstlicher Intelligenz ersetzt werden könnte - und warum (nicht)?
Einer Ihrer klugen Kollegen von Ö1 hat neulich sinngemäß gesagt: „Wenn du Musik von gestern hören möchtest, hör AI Musik, aber wenn du Aktuelles oder Neues hören möchtest, dann hör Musik von Menschen.“
Wann und wo sind Sie das letzte Mal unangenehm aufgefallen?
Eine Freundin und ich haben gemeinsam an einer Auftragsarbeit gearbeitet. Lange war unklar, ob und wenn ja, wie viel, wir dafür bezahlt bekommen, weil zu Beginn einfach jemand behauptet hatte, wir würden das kostenlos machen, ohne das vorher mit uns abzusprechen. Insgesamt hatten wir das Gefühl, nicht wirklich ernst genommen zu werden. Eine der Auftraggeberinnen sagte einmal, nachdem sich ein Kollege bei uns bedankt hatte: „Jetzt lob sie nicht so viel, die werden ja jedes mal teurer“. Nach mehreren solcher Sticheleien und anhaltender Unklarheit ist mir der Kragen geplatzt, und ich habe ein sehr emotionales, aber nicht beleidigendes Mail an alle Beteiligten geschrieben. Beleidigt waren einige trotzdem. Bei den darauffolgenden Veranstaltungen gab es für alle Teilnehmerinnen Blumen (am Land wie immer nur für Frauen) und Dankeschöngeschenke, außer für uns. Auch in den Presseaussendungen wurden unsere Namen nicht erwähnt.
Was wünschen Sie sich, dass Ihre Kunst bei anderen auslöst?
Das ist immer unterschiedlich, weil meine Arbeiten sehr verschieden sind. Manchmal hoffe ich, dass sich ein frischer Blick auf bestimmte Zusammenhänge auftut, solche, die ich selbst schwer in Worte fassen kann. Oder dass sich emotional irgendetwas regt, was genau, ist gar nicht so wichtig