Weizsäcker, 1984 - APA/DPA/EGON STEINER
Im Gespräch | 16 10 2003
Richard von Weizsäcker
Michael Kerbler spricht mit dem ehemaligen deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker
27. Oktober 2025, 11:08
Es war Immanuel Kant, der im 18. Jahrhundert sein weltumfassendes Friedenskonzept, das auf einer grundlegenden Pluralität basiert, vorgelegt hat. Das Resümee der Kant'schen Überlegungen: ein befriedetes, homogenes Polituniversum kann es nicht geben. Interessensgegensätze und Verfeindungsverhältnisse zwischen Staaten können - im günstigsten Fall - geregelt werden. Politisch bleibt daher die Welt - so der deutsche Schriftsteller Rüdiger Safranski - ein "Pluriversum". Wer diesen Gedankengang bejaht, lehnt eine "Weltregierung" ab und setzt stattdessen auf die Herrschaft internationalen Rechts.
Richard von Weizsäcker, der ehemalige deutsche Altbundespräsident, galt als Befürworter des internationalen Völkerrechts. Der überzeugte Europäer Weizsäcker hat daher konsequenter Weise den Beginn des Irak-Kriegs als einen klaren Rechtsbruch Washingtons benannt. Nur die Vereinten Nationen hätten nach der UN-Charta, an der die USA mitgearbeitet hätten, das Gewaltmonopol inne, argumentierte Weizsäcker und meinte, "dass Macht an die Stelle von Recht gesetzt worden ist."
An die Adresse Europas gewandt erinnerte von Weizsäcker, dass der Kosovo-Krieg ebenfalls ohne ein UN-Mandat "illegal" begonnen worden sei. Schließlich sei dieser aber nachträglich legitimiert worden, und die Europäer hätten es geschafft, die Vereinten Nationen einzubeziehen.
"Wir müssen für Ordnung und Stabilität auf unserem eigenen Kontinent sorgen, wenn nötig, auch mit Gewalt", sagte Weizsäcker. Michael Kerbler sprach mit Dr. Richard von Weizsäcker über die Verfasstheit Europas nach dem Waffengang im Irak zu sprechen. Insbesondere das innereuropäische Verhältnis zwischen dem so genannten "alten" und "neuen" Europa und die politischen Beziehungen zu den USA stehen im Mittelpunkt.
Richard von Weizsäcker verstarb 2015 in Berlin.
