Gedanken für den Tag

"Lob des Zweifels und der Hoffnung" von Martin Urban

Martin Urban ist Wissenschaftspublizist in München.

Der Diplomphysiker, Gründer und langjährige Leiter der Wissenschaftsredaktion in der Süddeutschen Zeitung widmet sich in seinem "Ruhestand" auf durchaus anregende Weise theologischen, philosophischen und psychologischen Themen. Seine jüngsten Bücher tragen nicht von ungefähr Titel wie "Warum der Mensch glaubt. Von der Suche nach dem Sinn", "Wer leichter glaubt, wird schwerer klug. Wie man das Zweifeln lernen und den Glauben bewahren kann" oder "Die Bibel - Eine Biographie".

Und dann?
"Am 30. Mai ist der Weltuntergang", heißt es in einem rheinischen Karneval-Schlager. Und heute haben wir den 19. Juni. Seit 2000 Jahren erwarten fromme Menschen den Untergang dieser Welt, voller Angst oder auch voller Hoffnung auf eine bessere Welt. Bereits Johannes der Täufer glaubte, so steht es bei Matthäus, das Himmelreich sei nahe. Der Apostel Paulus meinte sogar, er selbst werde nicht sterben sondern eine Neue Welt erleben. Ein großer Irrtum. Gewiss, wenn auch zeitlich unbestimmt, ist nur das Ende eines jeden individuellen Lebens sowie in ferner Zukunft auch das Ende allen Lebens auf der Erde. Christen hoffen, trotzig und wider allen Anschein, dass der Tod nicht das Letzte sei. Das ist heute schwieriger als vor 2000 Jahren. Mit dem damaligen Wissen von der Welt war es durchaus vereinbar, dass Menschen vom Tod erwachten oder in den Himmel entrückt wurden, sogar mit dem damals üblichen Transportmittel, der Pferdekutsche, wie der Prophet Elia, oder dass sie zu Sternen am Himmel wurden, wie Kastor und Pollux.
Heute sind die Zweifel desto größer, je größer das Wissen über die Welt ist. Manche der ersten Christen haben Jesus so verstanden, dass das "Reich Gottes" bereits angebrochen sei; und sie haben so gelebt. Das ist für mich die überzeugendere Weise als auf den Weltuntergang zu warten, wie dies andere Christen damals taten und manche Sektierer heute immer noch tun. Damals wie heute hat, meine ich, jeder Mensch die Aufgabe, sein Leben zu leben, und ihm einen Sinn zu geben. Und dann? Für das Dann bleibt, meine ich, trotz aller Zweifel die Hoffnung.

Service

Buch, Martin Urban, "Die Bibel. Eine Biographie", Verlag Galiani

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