Radiokolleg - Vom Schwarzwild zum Schnitzel

Kleine Natur- und Kulturgeschichte des Schweines (1). Gestaltung: Thomas Schaller

Bei Schnitzel, Kotelett und Schinken schlägt der Österreicher alles: 74 Kilogramm Schweinefleisch verzehrt er durchschnittlich pro Jahr. Das ist Weltrekord. Zum Vergleich: Der globale Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei 15 Kilogramm.

Hat man so ein Stück Geselchtes vor sich auf dem Teller, stammt es heute fast ausnahmslos aus der "industrialisierten" Massentierzucht. Dabei werden die neugeborenen Ferkel in sechs Monaten auf ein Schlachtgewicht von über 100 Kilogramm hochgemästet. Der Verbrauch an Kraftfuttermitteln und Medikamenten dafür ist beträchtlich, was das Schnitzel bei ernährungsbewussten Menschen oft in Verruf brachte. Nichtsdestotrotz ist das Hausschwein seit gut 9.000 Jahren einer der wichtigsten Fleischlieferanten für eine wachsende Menschheit.

In seiner ursprünglichen, wilden Form ist das Schwein, unter Biologen Sus Scrofa genannt, indes ein höchst intelligentes, anpassungsfähiges und wehrhaftes Tier. Die Jagd auf das Schwarzwild, besonders auf die 200 und mehr Kilogramm schweren ausgewachsenen Keiler mit ihren massiven Stoßzähnen, galt immer als gefährlich, war für Menschen ohne Schusswaffen eine "königliche Mutprobe".

Wie der Mensch auch, ist das Schwein ein Allesfresser. Es verwertet pflanzliche und tierische Nahrung gleichermaßen und ist dabei nach Angebot und Jahreszeit flexibel. Das begünstigt seine natürliche Verbreitung, die den gesamten eurasischen Kontinent umfasst. Und nicht zuletzt deshalb erweist sich Sus Scrofa dem Homo Sapiens als physiologisch und anatomisch ähnlicher, als uns vielleicht lieb ist: Die inneren Organe gleichen einander, sowohl bei Krankheitserregern wie auch bei den Medikamenten dagegen zeigen Mensch und Schwein meist ähnliche Reaktionen. Das macht Schweine als Versuchstiere für pharmazeutische Tests wichtig.

Für die Flexibilität der Wildschweine spricht auch, dass sie sich neuerdings gern in Städten ansiedeln. Dank einer tierfreundlich eingestellten Bevölkerung werden sie dort kaum bejagt und bewohnen daher Parkanlagen und Vorgarten-Siedlungen. Im Jahr 2003 mussten in Berlin zwei Wildschweine abgeschossen werden, die sich gar auf dem zentralen innerstädtischen Alexanderplatz heimisch eingerichtet hatten.

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