Gedanken für den Tag

"Über das Bereit-Sein" von Veronika Prüller-Jagenteufel

Veronika Prüller-Jagenteufel ist katholische Theologin und Seelsorgerin.

Manche Menschen sind für Geld oder auch aus Liebe zu - fast - allem bereit. Manche scheinen ohne Bezahlung für nichts zu haben zu sein. Gibt es heute noch so etwas wie Bereitschaft, gar Dienstbereitschaft - außer, es hat jemand eben im Job Bereitschaftsdienst?

Wer bereit ist, hat sich bereitet. Ich bin bereit, sagt, wer ein Amt, eine Aufgabe übernimmt. Aber sind auch alle, die Ämter übernehmen, entsprechend vor-bereitet?

Die Texte spielen mit den Worten und tasten nach einer der vielen scheinbar seltener werdenden Tugenden: der Bereitschaft, sich anderen zur Verfügung zu stellen. Wie kann diese Tugend heute neu geübt und dabei vor Ausbeutung und Missbrauch geschützt werden?
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer

Der englische Kolonialbeamte Scobie, Held eines Romans von Graham Greene, übertritt seine Befugnisse und schützt aus Mitleid einen Mann, dem er glaubt, was er erzählt. "Sogar in Kriegszeiten", lese ich, "muss man sich hin und wieder darin üben, einfach zu glauben, weil diese Eigenschaft sonst völlig verkümmert". Zugleich weiß dieser Scobie, wie gefährlich es ist, Gefühlen nachzugeben. Denn Gefühle korrumpieren, mehr noch als Geld. "Ein Mann, der Geld nahm, war unterhalb einer gewissen Summe verlässlich, doch Gefühle konnten mit einem Namen, einem Foto, ja sogar mit der Erinnerung an einen Duft das Herz bewegen", schreibt Graham Greene. Dass sein Hauptheld zu Gefühlen bereit ist, bringt diesen in Schwierigkeiten und den Roman in Gang.

Mich hinterlassen diese Sätze mit lästigen Fragen: Wozu bin ich bereit? Oder: Wann bin ich bereit, es mit meinen Grundsätzen nicht so genau zu nehmen? Wann fange ich an, zu schwindeln, eine Ausnahme zu machen, ein Auge zuzudrücken? Bin ich korrumpierbar?

Geld hat mir noch nie jemand angeboten, aber es kommt mir plausibel vor, dass Gefühle da noch gefährlicher sind. Vor allem Gefühle, die um mich selber kreisen: Angst um meinen Einfluss, oder die Sorge, ob ich wohl akzeptiert werde und dazugehöre und Ähnliches mehr. Wenn mich solche Gefühle plagen, finde ich mich gelegentlich z.B. bereit, gegen meinen Grundsatz zu verstoßen, nur so über andere Menschen zu reden, wie ich es auch in ihrer Gegenwart tun würde. Es ist dann wohl diese Angst um mich selber, die mich bereit macht, mitzuschimpfen und mitzulästern.

Graham Greenes Romanheld ist bereit zu anderen Gefühlen. Er übt sich im Vertrauen und lässt sich von Mitleid leiten. Er dreht sich nicht um selbstbezogene Gefühle, sondern hat Mitgefühl. So wird er bereit zu einer größeren Menschlichkeit, auch gegen seine eigenen Interessen. Solche Bereitschaft wünsch ich mir - öfter.

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