Gedanken für den Tag

"Dies kleine Mädchen Hoffnung - Unsterblich!" von Hubert Gaisbauer

Hubert Gaisbauer lebt als Publizist in Krems.

Vor fast genau 100 Jahren schrieb der französische Philosoph und Dichter Charles Péguy sein bekanntes Werk "Das Mysterium der Hoffnung". Péguy (1873-1914) war unkonventionell gläubiger Katholik, immer solidarisch mit seiner atheistischen Frau. Gegen die "Sünde der Verzweiflung" setzt er auf "das kleine Mädchen Hoffnung", das seinen "großen Schwestern Glaube und Liebe" vorausläuft.

Charles Péguy zählte zu den Lieblingsschriftstellern von Thomas Bernhard. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Vor fünfzig Jahren war dieses schlichte in schwarzem Leinen gebundene Bändchen mit dem Titel "Das Mysterium der Hoffnung" so etwas wie ein Kultbuch unter jungen Katholiken.

Auf dem Schutzumschlag die Porträtzeichnung von Egon Schiele: Ein bärtiges Gesicht mit tiefen ernsten Augen und eine Hand, knorrig wie ein alter Weinstock. Charles Péguy war 41 Jahre alt, als ihn am 5. September 1914 in einer der ersten Schlachten des I. Weltkriegs, eine Gewehrkugel mitten in die Stirn traf.

Lange Passagen aus dem "Mysterium der Hoffnung" konnten wir in den 50er Jahren auswendig hersagen. Zum Beispiel jene über den Schlaf:
 
"Den liebe ich nicht, der nicht schläft, spricht Gott.
Der Schlaf ist der Freund des Menschen.
Der Schlaf ist der Freund Gottes.
Der Schlaf ist vielleicht meine schönste Schöpfung".  
 
Wir waren fasziniert von der ungewöhnlich bildhaften Sprache, von den endlosen im Kreis gehenden Wiederholungen, von einer naiv-kindlichen Frömmigkeit, hinter der so oft eine verblüffende Theologie hervorblitzt - wie jene von der Hoffnung als einer wirklich göttlichen Tugend, dass nämlich Gott es ist, der hofft, der auf den Menschen hofft, er muß, es ist nicht zu glauben, er muß auf uns hoffen und warten, Er kann nichts tun ohne uns.. Daher, schreibt Péguy, "eines Menschen Umkehr ist die Krönung einer Hoffnung Gottes."

Von Thomas Bernhard weiß man, dass er ihn geliebt und gelesen hat, manche sich ostinat wiederholende Textpassage bei ihm erinnert an den unverwechselbaren Stil Péguys.

Sonst ist es um den französischen Dichter und Philosophen längst still geworden. Man hat ihn weitgehend vergessen. Aber diese Woche, die erste im Advent, wollen wir gemeinsam mit ihm und dem kleinen Mädchen Hoffnung in diesen Advent eintreten.

Hundert Jahre nachdem er das "Mysterium der Hoffnung" geschrieben hat. Über die schönste der drei göttlichen Tugenden. Denn, so Pèguy, "Glaube sieht nur, was ist. Und Liebe liebt nur, was ist. Die Hoffnung aber, sie liebt, was sein wird."

Service

Buch: Charles Péguy, Das Tor zum Geheimnis der Hoffnung, Johannes Verlag Einsiedeln 2007

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