Gedanken für den Tag
"Gottesbilder" von Helmut Krätzl
22. Dezember 2010, 06:57
Helmut Krätzl ist emer. Weihbischof der Erzdiözese Wien.
Zürnend und eifersüchtig? Barmherzig und väterlich? Die Bibel erzählt vielschichtig und vielseitig von Gott. Weihbischof Helmut Krätzl interpretiert die Gottesbilder der Bibel neu. Sein Bogen reicht dabei von den berührenden Gottesbildern im Alten Testament über jene, die verstören, bis hin zu einem Gott, der, wie Christinnen und Christen glauben und nicht zuletzt zu Weihnachten feiern, zur Welt kommt. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer
"Wer mich sieht, sieht den Vate"
In der Kirche in Laa a. d. Thaya, wo ich einmal Pfarrer war, hing über dem Krippenaltar ein großes Kreuz. Das hat manche in ihrer Weihnachtsidylle gestört. Das Kind in der Krippe kann man aber nur richtig sehen, wenn man sein ganzes Leben überschaut, bis hin zum Kreuz. Jesus ist nach christlichem Glauben in Wort und Werk, in Tod und Auferstehung zum Abbild der Herrlichkeit Gottes geworden.
Das hat Jesus selbst seine Jünger gelehrt. Als sie ihn einmal baten: "Zeig uns doch den Vater!", antwortete er: "Wer mich sieht, sieht den Vater."
Die junge Kirche hat dies offenbar verstanden. In einem Hymnus der frühchristlichen Liturgie sagte sie von Jesus Christus: "Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung" (Kol 1,15). Und zu Weihnachten wird heute in den Kirchen verkündigt: "In ihm ist die Güte und Menschlichkeit Gottes, unseres Retters, erschienen." (Tit,3,4)
Jesus Christus ist Wort und Bild des Vaters, in dem der verborgene Gott für viele offenbar geworden ist. Es ist ein neues Gottesbild: Eine Offenbarung in der Verborgenheit in der Krippe und am Kreuz. Gott offenbart seine Macht in Ohnmacht, seine Ewigkeit ist nicht starre Unveränderlichkeit, sondern Bewegung, Leben, Liebe, die sich selbst den Geschöpfen mitteilt. Das ist eine Neuinterpretation Gottes. In Jesus wird der unsichtbare Gott sichtbar.
Zu Weihnachten rührt viele der Anblick des neugeborenen, hilflosen Kindes. In Wahrheit, so bin ich überzeugt, ist aber in ihm die Herrlichkeit Gottes erschienen. Daher feiert die Ostkirche auch Weihnachten erst am Fest Epiphanie, am Fest der Erscheinung des Herrn.
Ich stehe gern besinnlich vor der Krippe und denke an die Worte Jesu: Wer mich sieht, sieht den Vater. Ich glaube, dann habe ich Weihnachten erst recht begriffen.
Service
Buch, Helmut Krätzl, ...Und suchen Dein Angesicht. Gottesbilder - Kirchenbilder, Wiener Domverlag
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Sendereihe
Playlist
Komponist/Komponistin: Christoph Graupner
Titel: IN DULCI JUBILO - WEIHNACHTSGESÄNGE MIT AXEL KÖHLER
Titel: Machet die Tore weit - Kantate
Textanfang: Kommst du, großer Welterretter, sei willkomm, du starker Held - Aria mit Solo Oboe
Ausführende: Lautten Compagney
Solist/Solistin: Axel Köhler /Altus
Länge: 01:10 min
Label: Capriccio 10490