Da capo: Tonspuren

13. Jänner 2011, 16:00

Als Daniel Barenboim 25 Jahre alt war, tourte er während des Sechstagekriegs mit seiner ersten Frau, Jacqueline du Pré, zu den israelischen Truppen. Das junge Traum-Paar, sie eine begnadete Cellistin, er ein gefeierter Pianist mit Drang zum Dirigentenpult, wollte die Soldaten musikalisch-moralisch unterstützen. Was er sich damals in seinen Alpträumen nicht vorstellen konnte, war, dass sein Land die besetzten Gebiete nicht wieder hergeben würde. "Das ist", sagt er, "menschlich, moralisch und politisch falsch."

Der Maestro gibt sein Interview im sogenannten Lehrerzimmer eines andalusischen Priesterseminars. Hier finden alljährlich die Proben mit seinem West-Eastern Divan Orchestra statt. Sie sind so anstrengend wie aufregend, aber, sagt Barenboim: "Die Musik gibt uns allen Kraft." 1999 hat er das Ensemble mit dem mittlerweile verstorbenen palästinensischen Philosophen Edward Said gegründet. Seither bespielt er mit den jungen Musikern aus den Konfliktzonen des Nahen Ostens die renommiertesten Konzertsäle der Welt. Ein einzigartiges Projekt, das gerade deshalb funktioniert, weil Konflikte nicht geleugnet werden.

Als zum Jahreswechsel 2008/2009 Bomben auf Gaza fielen, musste er seine Musiker fragen, ob sie unter diesen Umständen auf Tournee gehen wollten, und ließ sie mit der Entscheidung allein: "Ich habe mir vorgestellt, dass sich zwei Fraktionen bilden werden, hier die Israelis, dort die Araber. Aber sie haben es alle gemeinsam diskutiert und sie wollten fahren. Jetzt erst recht!"

Sendereihe

• Tonspuren

Gestaltung

• Eva Schobel