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"Di Sarro, 1941 bis 1979, oder Italiens bleierne Jahre und der Tod Luigi Di Sarros". Von Nadja Fischer

Am 24. Februar 1979 wurde mitten im nächtlichen Rom der 37-jährige Arzt und Künstler Luigi Di Sarro erschossen. Was er nie wissen sollte: Die Mörder waren keine Banditen, sondern Polizisten in Zivil, die damals als Leibwächter des Ministerpräsidenten Giulio Andreotti im Einsatz waren. Luigi Di Sarros Tod war die fatale Folge eines Notgesetzes, das den Carabinieri in den von Terroranschlägen geprägten "Bleiernen Jahren" weitgehend freie Hand gewährte. Und sein Tod war kein Einzelfall: Hunderte unschuldige Italienerinnen und Italiener starben in jenen Jahren im Kugelhagel von Polizisten. Das Feature erzählt die Geschichte von Luigi Di Sarro und damit auch ein Kapitel italienischer Nachkriegsgeschichte, das bis in die heutige Zeit hineinwirkt.

Nadja Fischer sprach mit Luigi Di Sarros Schwester, mit seiner Nichte und mit seiner heute 96-jährigen Mutter. Sie erfuhr, dass Luigi Di Sarro ein Pazifist war, der mit den terroristischen "Roten Brigaden" nichts am Hut hatte. Sie erfuhr auch, dass die Familie 15 Jahre lang vor Gericht für Gerechtigkeit gekämpft hatte, und dass der Prozess mit einem Freispruch für den Todesschützen endete.

Italien erlebte in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre eine Welle linksterroristischer Gewalt. Im Kampf gegen den Terrorismus setzte die italienische Politik vor allem auf eine Stärkung der Exekutive. Während der siebziger Jahre wurden mehrere Antiterrorgesetze erlassen. Das "Legge Reale" vom 22. Mai 1975, das erste Antiterrorgesetz, sah unter anderem vor, dass Polizisten, die während der Ausübung ihres Dienstes jemanden verletzt oder getötet hatten, vor Strafverfolgung geschützt werden konnten.

Und der Mann, der Luigi Di Sarro erschossen hat? Er lebt bis heute in der Nähe von Rom, ohne jedoch im Telefonbuch aufgeführt zu sein. Nach langen Vorgesprächen war er bereit, zu erzählen, was aus seiner Sicht in jener Nacht im Jahr 1979 geschehen war, und wie er seither damit lebt, als Polizist einen Unschuldigen erschossen zu haben. (Produktion DRS)

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