Gedanken für den Tag

4. März 2011, 06:57

Barbara Rauchwarter ist evangelische Theologin.

Seufzen, Lamentieren, Fluchen: Das alles kann in angespannten Zeiten durchaus hilfreich sein. Einige halten es mit dem Schweigen. Und manche richten sich an "den ganz Anderen", sie beten. Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

"Wie man beten soll, das steht in der Bibel; und was man beten soll, das steht in der Zeitung", meint der Theologe Karl Barth.

In den täglichen Nachrichtensendungen dringt die Not der Welt in mein relativ behütetes Leben ein und weckt unterschiedlichste Gefühle: Entsetzen, Abwehr, Resignation, ja Überdruss. Das Gebet darf keine Bannformel sein, die mir das Elend der Welt vom Hals schafft.  

Heute Abend, am ersten Freitag im März, wird in vielen Kirchen der Weltgebetstag gefeiert. Seit 1927 übernehmen jedes Jahr Frauen aus einem anderen Land die Verantwortung für die Gebetsordnung. Heute sind es die Worte von Frauen in Chile, die Christinnen weltweit im Gebet zusammen schließen. Ihr Motto lautet: "Wie viele Brote hast Du?" Diese Frage beschäftigt heute Abend christliche Frauen in der ganzen Welt. In Österreich muss ich mich fragen lassen und mir wird bewusst sein, dass ich am Hunger in der Welt beteiligt bin.

Die Frauen aus Chile nennen Gründe, skizzieren in ihren Gebeten die brutale Geschichte ihres Landes. Mein Beten mit ihnen wird nicht abstrakt und weltlos sein, wie viele Gebetsformeln oft scheinen, die in Gottesdiensten gebraucht werden. Christliche Frauen, die heute Abend miteinander und füreinander beten, finden sich nicht ab mit der Realität. Die Fürbitten sind Zeugen der Vision vom Reich Gottes: Alle werden satt.

So bilden viele Frauen heute Abend weltweit eine Widerstandszelle gegen den Ist-Zustand der Welt - eine Art social network. Und es bleibt nicht beim Gebet, es wird Geld gesammelt, mit dem zahlreiche Projekte in der Welt unterstützt werden, die Frauen und Kindern ein besseres Leben ermöglichen. Heute Abend werden sich viele Hände öffnen.

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