Gedanken für den Tag

von Christine Wiesmüller. "Nahrung für die Seele" - Mystik in der Literatur

Christine Wiesmüller ist Schriftstellerin.

Christine Wiesmüller versucht, anhand ausgewählter Werke der Weltliteratur einer Dimension jenseits des Alltäglichen nachzuspüren und meint, dass es angesichts des Zeitgeistes ein provokantes Unterfangen sei, Werke in den Mittelpunkt der Betrachtungen zu rücken, die Gott als persönlichen Gott ansprechen.

Für sie selbst ist die Frage nach dem "tragenden Grund des Daseins" eine entscheidende Triebfeder ihres Schreibens, wie sie auch in ihrem Roman "Der Garten" zeigt. Karl Rahners ebenso provokanter Ausspruch "Der Christ des 21. Jahrhunderts wird ein Mystiker sein, oder er wird nicht mehr sein", zieht sich wie ein Leitmotiv durch diese Woche, die mit den Mystikerinnen von Helfta beginnt. Es folgen Werke von Droste Hülshoff, Le Fort, Joseph Roth und Dostojewski.

Die Mystikerinnen von Helfta - Minne und Erkenntnis
 
"Der Christ des 21. Jahrhunderts wird ein Mystiker sein, oder er wird nicht mehr sein". Dieser Gedanke stammt von Karl Rahner, einem der wichtigsten Theologen und Denker des vergangenen Jahrhunderts. Ein Zuruf, der mich auf die Spur einer geistlichen Literatur geführt hat, die zum Schönsten und Wertvollsten zählt, das Sprache meiner Meinung nach auszudrücken vermag. Ich greife die Mystikerinnen von Helfta exemplarisch heraus. Helfta zählte im 13. Jhdt. zu einem der bedeutendsten deutschen Frauenklöster. Dort entstand eine Spiritualität, genauer gesagt, eine Mystik, die, aus meiner Sicht, ihre Strahlkraft für die europäische Geisteswelt bis heute nicht verloren hat. "Mystik ist Gotteserkenntnis, die auf Erfahrung beruht", das ist eine, wie mir scheint, sehr zutreffende Definition. Wobei im Letzten die Gotteserfahrung unsagbar und unbeschreibbar bleibt. "Vor Dir steht die leere Schale meiner Sehnsucht", mit diesen Worten ruft die Mystikerin die Weisheit Gottes an. Sie lässt sich auf das Verlangen der Seele nach Gott ein. Ihre Ausdrucksfähigkeit stößt dabei an die äußerste Grenze der Sprache. Wenn Geist, Seele und Sinne von "Herz zu Herz" sprechen - der unendlich große Gott dem Menschen unendlich nahe kommt - so entsteht für die Mystikerin eine ungemein fruchtbare Form des religiösen Denkens und Sprechens. Gott ist ein Gott des Gespräches. Sosehr die Mystikerinnen über eine Höhe klagen, die in menschlichen Worten nicht mehr auszudrücken ist, sosehr drängen sie auf ein Gleichgewicht zwischen Glaube, Liebe und Erkennen: "Minne ohne Erkenntnis dünkt der weisen Seele Finsternis", und weiter heißt es bei Mechthild von Magdeburg: "Wo immer die Wissenschaft Weisheit und Minne vereint, da bringt die Erwählung Frucht."

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Sendereihe

Playlist

Titel: Ansage "Gedanken für den Tag"
Länge: 00:10 min

Titel: GFT 110329 Gedanken für den Tag / Christine Wiesmüller
Länge: 02:41 min

Titel: Absage "Gedanken für den Tag"
Länge: 00:10 min

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