Gedanken für den Tag

von David G. L. Weiss. "Prophet, Mensch, Gottessohn?" Assoziationen zu Jesus von Nazareth

David G. L. Weiss ist Schriftsteller.

Jesus von Nazareth ist zum Stein des Anstoßes geworden. Für nunmehr fast zwei Jahrtausende Weltgeschichte. Er war Eckpfeiler und Schlussstein für das Gebäude Europas. Und darüber hinaus ist er auch, der Jude aus Galiläa, ein großer Prophet des Islam. Seine Mutter ist die einzige Frau, die namentlich im Koran genannt wird.

Immer mehr Menschen haben nach der Zeitenwende das Gefühl, dass dieses Bauwerk in seinen Grundfesten ins Wanken geraten ist. Unerhörte Skandale über die institutionalisierten Nachfolger Christi erschüttern die Medien. Aber wer war dieser Mann, der die Welt zu bewegen vermocht hatte? Hat er Menschen dieser Tage noch etwas zu sagen mit seiner Lehre von Nächstenliebe und Vertrauen?

Die Texte von David G. L. Weiss sind das Resultat einer jahrelangen Beschäftigung mit diesen Fragen, eine oft verzweifelte Suche nach Antworten. Sie spiegeln die lebenslange, persönliche Begegnung des Autors mit Jesus und mit seiner bis heute kontroversen Lehre wider. Angesichts der sich vertiefenden Gräben zwischen verschiedenen Glaubensbekenntnissen, angesichts des Imageverlusts organisierter Glaubensgemeinschaften, von Heuschreckenkapitalisten und fanatischem Terrors ist diese Lehre seiner Meinung nach aktueller denn je.

Die Erzählung(en)

"So, wie es da steht, war es nicht. Wie es war, wissen wir nicht. Aber das macht nichts.", hat einmal der Neutestamentler Jakob Kremer in einer Vorlesung zur Bibelexegese halb scherzhaft gemeint. In dieser Aussage steckt meiner Meinung nach eine tiefe Erkenntnis, eine Ernüchterung und gleichzeitig auch eine Warnung. Warum? Eine der wenigen Quellen, die einzige Quelle jedenfalls, die ausführlich vom Leben Jesu, aus seiner Biographie, berichtet, ist das Neue Testament. Und selbst in diesen vier Evangelien gibt es Widersprüche. Kleine Abweichungen, andere Blickwinkel sowie andere Aspekte der Geschichte von Jesus, die den Autoren besonders wichtig gewesen sind, die sie ausdrücklich betonen wollten. Matthäus, Markus, Lukas und Johannes wiederholen nicht viermal haargenau dieselbe Geschichte, und sie erzählen sie nicht für dieselben Leute. Jedes Evangelium ist an andere Adressaten gerichtet, an Juden- oder Heidenchristen. Als ich damals als Jugendlicher erstmals begonnen habe, mich näher mit den biblischen Büchern auseinanderzusetzen, war das beim Lesen für mich fast ein Schock. Aus meiner Kindheit kannte ich die eine Geschichte von Jesus Christus. Und zwar so, wie sie von der Kinderbibel, in den Kirchenfresken und in Bibelfilmen berichtet wird. Doch machen diese Widersprüche, diese unterschiedlichen Facetten die Erzählungen weniger glaubwürdig? Ich glaube nicht. Vielleicht bringen sie sogar ein Stück mehr Wahrhaftigkeit ans Licht, als es eine einzige Version könnte. Schon die ersten Christinnen und Christen haben Jesus von Nazareth auf ganz unterschiedliche Art und Weise wahrgenommen, haben ihren eigenen Erfahrungen Raum gegeben und sie weiter erzählt. Mosaiksteine, die sich zu einem größeren Bild zusammenfügen. Für mich ist gerade das eine Aufforderung, mich mit Tradiertem - auch kritisch - auseinanderzusetzen. Und vielleicht auch die Mosaiksteine meiner eigenen Erfahrung in das Bild einzufügen.

Service

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Sendereihe

Playlist

Titel: Ansage "Gedanken für den Tag"
Länge: 00:10 min

Titel: GFT 110427 Gedanken für den Tag / David Weiss
Länge: 02:42 min

Titel: Absage "Gedanken für den Tag"
Länge: 00:10 min

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