Radiokolleg - Klicken, Klauen und Kaufen

16. Mai 2011, 09:45

Im Jahr 2004 lud der Student Joel Tenenbaum 30 Songs aus der Internettauschbörse Kazaa herunter, um sie zum Tausch anzubieten. Die mächtige Recording Industry Association of America machte Tenenbaum über seinen Server ausfindig und klagte ihn nach dem Digital Theft Deterrence and Copyright Damages Improvement Act von 1999 an. Da Tenenbaum das Angebot einer "gütlichen" Einigung von 10.500 US-Dollar wegen Zahlungsunfähigkeit abschlagen musste, klagte ihn die Musikindustrie auf eine Million Dollar Schadenersatz. Nach der Verurteilung zu einer Strafe von 675.000 US-Dollar, die in zweiter Instanz auf 67.500 Dollar reduziert wurde, geht der Prozess nun in die dritte Instanz.

Tenenbaum wird in seinem Kampf um einen Freispruch vom Harvard-Professor Charles Nesson unterstützt, der ihn ehrenamtlich vor Gericht verteidigt. Der tatsächliche Wert der 30 Songs wird von Professor Nesson übrigens mit 1,5 US-Dollar angegeben - fünf Cent pro Song.

Der Fall Tenenbaum ist einer jener Präzedenzfälle, von denen die Zukunft der Musikindustrie abhängt. Denn was für die Industrie ein Fluch ist, ist für Musikschaffende und Musikliebhaber ein Segen: Noch nie zuvor konnten Musikerinnen und Musiker ihre Musik unabhängig von einem Plattenlabel an so viele Millionen Konsumenten bringen. Wo man früher stundenlang Platten auf Kassetten aufnahm, reichen heute ein paar Klicks, um Musik aus dem Internet herunterzuladen und an Hunderte Freunde weiterzugeben.

Im Zuge der Digitalisierung ist jedoch das Recht auf die Privatkopie, das es beim Überspielen auf Kassetten gab, verschwunden. Aus Sicht der Musikindustrie ein logischer Schritt: Downloads aus dem Internet sind einfacher als das mühsame und zeitaufwändige Überspielen auf Kassetten, die Musikindustrie verliert Millionen. Tatsächlich ist der Markt für Tonträger dramatisch eingebrochen. Die Versuche, diese Entwicklung aufzuhalten, dienen nur zu einem geringen Teil Künstlern und Künstlerinnen. Viele vor allem junge Musiker und Musikerinnen profitieren von den digitalen Medien: Erstmals können sie unabhängig von profitorientierten Großunternehmen ihre Musik selbst produzieren und verbreiten.

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