Gedanken für den Tag

von Hubert Feichtlbauer. "Was zu selten in den Kirchen gepredigt wird"

Hubert Feichtlbauer ist katholischer Publizist.

Am Pfingst-Dienstag und an den Tagen danach macht sich der Doyen des katholischen Journalismus und Buchautor Hubert Feichtlbauer Gedanken über grundlegende Fragen der christlichen Religion, die sehr wohl bei zeitgenössischen Theologinnen und Theologen, aber nicht immer in den Predigtunterlagen vieler Pfarrer in dieser Form vorkommen.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.

Wo war Gott, als Hitlers Henker in den Vernichtungslagern von Auschwitz und Mauthausen das ihrer Meinung nach "unwerte" Leben von Millionen Menschen zerstörten? An einen Gott, der systematischen Völkermord zulässt, wollen viele Menschen nicht mehr glauben. Sechs Millionen Ermordete! Wann hätte Gott da eingreifen müssen? Bei drei Millionen? Bei einer Million? Warum nicht schon beim ersten Mord?

Und was ist mit Naturkatastrophen? Ein Blitzschlag, ein Erdbeben, ein Tsunami? Warum hält Gott fallende Bäume, stürzende Felsbrocken, zuschnappende Haie nicht auf? Ein kühner jüdischer Denker, Hans Jonas, wagte den Vorschlag: Gott konnte in Auschwitz nicht eingreifen, weil er seine Allmacht unwiderruflich mit dem von ihm geschaffenen Menschen geteilt hatte. Ein selbstgefesselter Gott? Oder darf man den kühnen Gedanken weiterdenken: Wollte Gott gar nicht eingreifen?

Jedes kritische Nachdenken landet einmal beim selben Schluss: Ginge es nach dem Willen eines gütigen Gottes, dürfte der überhaupt kein Übel zulassen: Keinen Autounfall, keine Naturkatastrophe, keinen Mord, keine Tyrannei, kein Liebesleid. Aber, Hand aufs Herz, was wäre ein Leben ohne Herausforderungen denn wert?

Das Geheimnis um den guten Gott, der Unheil, Schmerz und Leid zulässt, hat noch kein Prophet, kein Religionsstifter, auch kein Religionslehrer befriedigend gelöst. Aber eins ist sicher: Ein Gott, der in eine verpfuschte Schöpfung ständig neu eingreifen müsste, um Schlimmstes zu verhindern, wäre selbst erbarmungswürdig. Hat er vielleicht dazu die Menschen "nach seinem Bild" erschaffen, um sie immer wieder mit der Nase darauf zu stoßen, dass sie dazu berufen sind, in Generation nach Generation den Bauplatz Schöpfung menschlich einzurichten?

Service

Wenn Sie diese Sendereihe kostenfrei als Podcast abonnieren möchten, kopieren Sie diesen Link (XML) in Ihren Podcatcher. Für iTunes verwenden Sie bitte diesen Link (iTunes).

Sendereihe

Playlist

Titel: Ansage "Gedanken für den Tag"
Länge: 00:10 min

Titel: GFT 110616 Gedanken für den Tag / Hubert Feichtlbauer
Länge: 03:49 min

Titel: Absage "Gedanken für den Tag"
Länge: 00:10 min

weiteren Inhalt einblenden