Gedanken für den Tag
von Erika Pluhar. "Gedanken gegen den Strom der Zeit"
20. Juni 2011, 06:56
Erika Pluhar ist Schauspielerin, Filmemacherin, Sängerin und Autorin.
Vor kurzem ist Erika Pluhars neuer Film "Sahara in mir" in den österreichischen Kinos angelaufen. Gemeinsam mit ihrem Enkelsohn Ignaz Pluhar hat sie sich dafür auf eine Reise begeben zu den Wurzeln des jungen Wieners, dessen leibliche Eltern aus dem afrikanischen Land Westsahara fliehen mussten, das von Marokko 1975 völkerrechtswidrig besetzt wurde. In den "Gedanken für den Tag" spricht Erika Pluhar über Endlichkeit und Gegenwart, über das Alter und das immer währende Trotzdem in ihrem Leben.
Gestaltung: Alexandra Mantler-Felnhofer.
Das Wichtigste - ein Dach über dem Kopf! Wer hat diesen Satz nicht schon einmal vernommen oder ausgesprochen. Meist hat man es ja auch, dieses Dach über dem Kopf. Man bedenkt selten oder nie, wie es sein könnte, dieses zu verlieren, also obdachlos zu sein. Wenn man Menschen sieht, die auf Parkbänken oder unter Brücken schlafen, meint man, etwas Exotisches oder völlig Irreales zu sehen, eine Art Folklore. Man neigt dazu, von Randfiguren der menschlichen Gesellschaft zu sprechen, im Dünkel zu verharren, ein Zustand dieser Art sei vermeidbar und beruhe ausschließlich auf persönlichem Verschulden. Man fühlt sich sicher.
Wer aber je selbst ins Ungesicherte geraten ist, in Verlorenheit, Verlassenheit, Hilflosigkeit, dem ist plötzlich kein Zustand mehr unbegreiflich. Wer je verstoßen, verjagt, verletzt und geschändet wurde beginnt zu begreifen. Auch wenn es das Dach über dem Kopf vielleicht dann noch gibt. Wenn die Seele kein Obdach mehr findet ist man obdachlos, auch ohne unter der Brücke schlafen zu müssen, ist man schrecklich vereinzelt man selbst. Als hilflose Kreatur am Rande des Menschseins zurückgelassen.
Nun gibt es aber Menschen, die beides verloren haben, das Dach über dem Kopf und das Dach über der Seele. Wenn irgendwo, wenn es um das Leid anderer geht, gehandelt wird und nicht nur bemitleidet, entsteht innerhalb der uns beherrschenden Menschenverachtung ein ausgesparter Raum gegenseitiger Achtung und darum, meine ich, geht es. Achtung, Beachtung, Acht geben ist das Wertvollste, das wir Menschen einander schenken können und das wirkungsvollste Mittel jeder Form der Obdachlosigkeit entgegen zu wirken.
Service
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Sendereihe
Playlist
Titel: Ansage "Gedanken für den Tag"
Länge: 00:10 min
Titel: GFT 110620 Gedanken für den Tag / Erika Pluhar
Länge: 03:49 min
Titel: Absage "Gedanken für den Tag"
Länge: 00:10 min